Druckartikel: Mehr als eine Großküche

Mehr als eine Großküche


Autor: Redaktion

Kulmbach, Montag, 16. November 2020

Wie aus Lebensmitteln köstliche Gerichte werden und wie diese - auch während der Corona-Krise - zu ihren "Essern" kommen.
Hohe Qualitätsansprüche und ein klares Ja zur Integration: Die Menüfaktur bietet Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.


Schmeckt das Essen eigentlich besser, wenn man weiß, wer es liebevoll zubereitet hat? Bei den frischen und vielfältigen Gerichten der Menüfaktur Kulmbach scheint eine Steigerung kaum möglich. Oder doch? 54 Mitarbeitende sorgen jeden Tag dafür, dass rund 2700 Portionen an ihre "Esser" kommen. Dazu gehören die Annahme der Waren, die überwiegend von regionalen Partnern geliefert werden, ihre Lagerung und Zubereitung.

"Heute ist ein guter Tag"

Durch einen Gang des lang gezogenen Gebäudes in der E.-C.-Baumann-Straße flitzt Marianne. "Heute ist ein guter Tag", erzählt die blonde Frau allen, die sie trifft und steckt mit ihrer Energie an. Vor ihrer Anstellung als Spülkraft hatte sie es nicht einfach gehabt in ihrer Berufslaufbahn. Die Menüfaktur hat sie aufgefangen und bietet ihr einen geschützter Rahmen.

Betriebsleiterin Marina Lofink kennt alle Biografien ihrer Mitarbeitenden - und nicht nur auf dem Papier: "Hier arbeiten Menschen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chancen haben würden, dort nicht richtig Fuß fassen könnten. Sie würden verloren gehen - aus unterschiedlichen Gründen." Die Hälfte der Frauen und Männer besitzt ein anerkanntes Handicap. Sie arbeiten Hand in Hand mit den anderen Mitgliedern des Teams zusammen, das Küchenteam täglich von 6.30 bis 15.30 Uhr, das Spülteam zeitversetzt.

Bei zusätzlichen Aufträgen oder Catering ist aber auch mal Wochenend- oder Servicearbeit nötig. Doch auch bei diesem Dienstplan achtet Marina Lofink auf die persönliche Situation ihrer Mitarbeitenden. Es gehe zu "wie in einer Großfamilie", lacht die Chefin.

Zwar fielen und fallen coronabedingt einige Aufträge weg, doch in der Küche selbst hat sich durch die Pandemie wenig verändert: Die Hygieneschleuse, regelmäßige Reinigung der Gerätschaften und Räume sowie eine Mund-Nase-Bedeckung und Handschuhe gehörten auch schon vor der Krise zum Standard der Menüfaktur.

Mit Herzblut und Rücksicht

Dagegen stellte das kurzzeitige Zwei-Schicht-System und die dreimonatige Kurzarbeitsphase für viele Mitarbeitende eine starke psychische Belastung dar. Auch die momentane Unsicherheit merke man den Frauen und Männern an. Denn: "Das Kochen steht bei uns nicht im Vordergrund, das kann man lernen. Es geht eher darum, eine Chance und Selbstbewusstsein zu geben - in einem geschützten Rahmen."

Dieser besteht aus Herzblut, Verständnis und ganz viel Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse. Durch das moderne "Cook & Chill"-Verfahren wird der Arbeitsumfang nicht geringer, der Zeitdruck jedoch weniger. Die Speisen werden frisch zubereitet, innerhalb von 90 Minuten auf zwei bis drei Grad abgekühlt und bei diesen Temperaturen gelagert, portioniert und zum Kunden transportiert. Direkt am Ausgabeort werden die Speisen mit Hilfe eines Konvektomats vitaminschonend auf die Verzehrtemperatur regeneriert.

Zu den fünf Fahrern gehört Werner aus Obernsees, der über 30 Jahre lang Karosseriebauer war. Ein Burn Out zwang ihn zur Pause. Seit fünf Jahren schöpft der 58-Jährige nun Energie. red