Medizin für die Wirtschaft
Autor: Sandra Hackenberg
Kronach, Dienstag, 14. April 2020
Morgen werden die aktuellen Arbeitslosenzahlen veröffentlicht - sie werden die Folgen des Corona-Virus auf die heimische Wirtschaft verdeutlichen. Doch ohne die Kurzarbeit würde es laut dem Experten noch viel düsterer aussehen.
Zahlenreihen, die ein ganzes Buch füllen könnten. Seite um Seite geht sie Matthias Klar durch, erstellt Grafiken und Tabellen, die am morgigen Donnerstag veröffentlicht werden. Das ist für den Pressesprecher der Arbeitsagentur Bamberg-Coburg nichts Neues. Doch dieser Arbeitsmarktbericht ist anders. Seine Zahlen erzählen die Schicksale tausender Menschen. Und leider haben die Geschichten - vorerst - kein Happy End. Steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und dazwischen vereinzelt Stellenangebote in systemrelevanten Branchen: An diesen Faktoren - neben den Infektionszahlen - werden sich die Auswirkungen von Covid-19 messen.
"Wir müssen leider damit rechnen, dass die Arbeitslosenzahlen signifikant ansteigen." Für gewöhnlich geht die Arbeitslosigkeit in dieser Jahreshälfte leicht zurück. Diesmal wird der Trend in die andere Richtung zeigen. Eine Entwicklung in diesem Ausmaß lässt selbst einen erfahrenen Mann der Zahlen emotional werden. "Was wir bei all den Statistiken nie vergessen dürfen: Es handelt sich hier um Menschen und persönliche Schicksale." Um annähernd vergleichbare Tabellen zu finden, muss Klar in der Chronik weit zurückgehen. "Die Wirtschaftskrise 2009 hat vor allem größere Unternehmen getroffen, weil die Ursache da wirtschaftlicher Natur war. Doch diese Krise trifft alle Unternehmen gleich."
Kurzarbeit als Rettungsanker
Dabei hätte es noch viel schlimmer kommen können. Das zeigt ein Blick über den großen Teich: Noch im Februar dieses Jahres feierte die USA ihre niedrigste Arbeitslosenquote seit Jahrzehnten. Doch dann schlug auch dort das Corona-Virus mit voller Wucht ein: Innerhalb eines Monats verloren 26 Millionen Menschen ihre Jobs. So beunruhigend die Zahlen hierzulande auch aussehen werden: "In Deutschland wird vieles durch die Kurzarbeit abgemildert." Denn viele Betriebe, die ohne diese Option ihren Arbeitnehmern in diesen Wochen kündigen müssten, haben inzwischen Kurzarbeit angemeldet.
Das werden die Zahlen für den Kreis Kronach belegen: "Von Mitte März bis jetzt haben sich rund 3500 Unternehmen bei uns gemeldet, die Kurzarbeit anzeigen wollten." Das bedeute zwar noch nicht, dass jeder dieser Betriebe tatsächlich in Kurzarbeit geht. Doch zum Vergleich: "Im November letzten Jahres beispielsweise haben wir 26 Anzeigen auf Kurzarbeit von Betrieben bekommen."
Für den Pressesprecher der Arbeitsagentur wirkt die Kurzarbeit in der momentanen Situation wie Medizin: "Ohne das ins Lächerliche ziehen zu wollen, vergleiche ich das Corona-Virus gerne mit einer bösen Erkältung der Wirtschaft. Die Erkältung bleibt für einige Tage und geht dann wieder. In dieser Zeit lindert die Kurzarbeit die Symptome."
Von diesem sozialstaatlichen Instrument würden Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen profitieren. "Wenn die Unternehmen ihre Angestellten jetzt kündigen und die in der Zwischenzeit wo anders unterkommen, sind sie weg, wenn sich die wirtschaftliche Lage wieder bessert", erklärt Klar. Neues Personal müsse dann erst einmal gefunden und angelernt werden. "So stehen dem Arbeitgeber die Arbeitskräfte aber sofort wieder zur Verfügung." Die Arbeitnehmer müssten sich während der Kurzarbeit nicht arbeitslos melden und würden weiter einen Großteil ihres Gehalts bekommen (siehe unten).
Sozialer Friede durch Sicherheit
Nicht zuletzt der psychologische Aspekt spiele bei den Arbeitnehmern eine entscheidende Rolle. "Natürlich freut sich niemand, wenn er in Kurzarbeit geschickt wird", weiß Klar. "Doch die Leute haben noch immer ihren Job. Das beruhigt auch ein Stück weit." Das sei einer der Gründe dafür, dass die Bürger die derzeit von der Regierung getroffenen Maßnahmen zum Schutz vor dem Covid-19-Virus so einvernehmlich akzeptieren. "Revolutionen wurden in der Vergangenheit immer durch Menschen ausgelöst, die nichts mehr zu verlieren hatten. Dass es jetzt in Deutschland nicht dazu kommt, liegt an unserem Sozialstaat. So sichern wir in dieser Krise den Frieden in unserem Land."