Renate Schmidt war 1998 Spitzenkandidatin in Bayern. Die Aufbruchstimmung heuer erinnert sie an damals. Ein Politikwissenschaftler sagt aber: Die SPD kann gar nicht so viel für den eigenen Erfolg... von Fajsz Deáky
W ichtige Ereignisse im Jahr 1998: Frankreich wird Fußball-Weltmeister, Modern Talking starten ihr Comeback, Pol Pot stirbt, die Ära Helmut Kohl endet - und in Coburg holt der Direktkandidat der SPD den Sieg bei der Bundestagswahl: Uwe Hiksch. Seitdem hatten die Sozialdemokraten im Wahlkreis Coburg/Kronach keine Chance mehr, bei allen Wahlen ab 2002 gewann Hans Michelbach (CSU). Doch jetzt gibt es Umfragen, die für die Wahl am 26. September in Coburg Ramona Brehm vorne sehen - die SPD-Kandidatin.
Könnte sich ein Sieg der SPD hier also wiederholen? Und: Gibt es weitere Parallelen zu 1998? Immerhin löste damals Gerhard Schröder (SPD) Helmut Kohl als Unions-Kanzler ab. Heuer endet auch eine Ära, die von Angela Merkel.
Unsere Zeitung fragte Renate Schmidt, in Coburg aufgewachsen, 1998 Spitzenkandidatin für die SPD in Bayern, später Familienministerin im Kabinett Schröder. Wie fühlte man damals als Sozialdemokratin? Und wie fühlt man heute? Schmidt: "Man ist endlich mal wieder stolz auf die Gegenwart der SPD. Wir wissen alle, dass die guten Umfragewerte nur eine Prognose sind. Aber es schaut schon gut aus." Und ist das ähnlich wie 1998? Schmidt: "Ja, auch damals gab es Aufbruchstimmung. Und ich glaube, damals wie heute, wollen die Menschen eine Veränderung. Nicht zu arge Veränderung, aber etwas Neues. Und das bietet, glaube ich, Olaf Scholz. Die Grünen wollen vielleicht zu viel auf einmal, auch wenn sie es gut verpacken."
Aufbruchstimmung - die gab es vor der jüngsten Bundestagswahl auch, und wie! Kanzlerkandidat Martin Schulz und seine Partei gingen mit sehr breitem Kreuz in den Wahlkampf - aber das fiel bekanntlich auch sehr schnell alles wieder in sich zusammen. Bei Olaf Scholz nicht? Renate Schmidt: "Martin Schulz kam aus der Europapolitik. Er war mit den ,Niederungen' der nationalen Politik nicht so gut vertraut. Seine Themen waren vielleicht richtig, aber er hätte sie kompetent unterfüttern müssen." Olaf Scholz könne das.
Die bislang letzte SPD-Ära in Coburg hielt jedenfalls nicht lang. Schon im Jahr darauf trat Uwe Hiksch aus der Partei aus, was Schmidt immer noch übel aufstößt: "Ohne unsere Parteien, ob Union, SPD oder Grüne, wären wir alle nie da, wo wir als Politiker sind. Wenn man austritt, ist das eines jeden gutes Recht. Aber nicht, wenn man dabei sein Mandat mitnimmt."
Von der jetzigen Direktkandidatin ist Schmidt aber begeistert, wie sie sagt. "Ein junges, frisches Gesicht. Und mir gefällt auch sehr gut, dass sie Schornsteinfegerin ist, der Grad an Akademikern im Bundestag ist ohnehin schon sehr hoch..."
Ist die SPD so stark?