Man geht immer noch zum "Bischof"
Autor: Petra Malbrich
Neunkirchen am Brand, Dienstag, 02. Juli 2019
Käserei, Frisierstube, Metzgerei - die Gastwirtschaft "Zur Seku" in Neunkirchen am Brand hat eine facettenreiche Geschichte hinter sich. Nun feiern die Besitzer 100-jähriges Bestehen und sanieren das Gebäude.
"Wir gehen zum Bischof." Das sagen die Leute heute noch und jeder weiß, dass damit das Gasthaus "Zur Seku" gemeint ist. Hausnamen bleiben bestehen. Und der Bahnhof war nur wenige Meter entfernt. Während Chefin Melanie Schottdorf das erzählt, blättert sie in einem dicken Fotoalbum.
Horst Fritsche, ein Mann, der lange ein Fremdenzimmer in der "Seku" bewohnt hat, fertigte dieses Album an. Eigentlich ist es auch das Stammbuch des 1970 von ihm gegründeten Stammtischs "Zur Seku", der anfangs zwölf Mitglieder zählte und bei dem sich zuletzt 34 Frauen und Männer regelmäßig trafen. Auch Fotos schmücken das Buch und untermalen damit die vielfältige Geschichte des Gasthauses, das ursprünglich eine Käserei war, bis das Ehepaar Andreas und Elisabeth Bischof 1915 das Gebäude kaufte.
Dort, wo nun die Theke steht, hörte das Haus auf. "Andreas Bischof war Haarformer, so wurden damals die Friseure bezeichnet", erzählt Melanie Schottdorf. Bischof richtete in der alten Käserei eine Frisierstube ein, wollte aber auch einen Schankbetrieb eröffnen, weil sich in seiner Stube viele Leute trafen.
In Neunkirchen jedoch gab es viele Gaststätten, weshalb Bischofs Konzessionsantrag kontrovers diskutiert wurde. Die Schankerlaubnis erhielt er dann 1919 und die Geschichte der "Seku" begann mit dem Umbau.
Während der NS-Zeit
Neben dem Haus war eine Scheune, die er zu einem kleinen Saal umbaute. "Während der NS-Zeit hat die NSDAP ihre Versammlungen dort gehalten. Das gefiel Andreas Bischof nicht, doch hätte er sich geweigert, wäre er gleich ins KZ gekommen", erzählt Schottdorf. Als Bischof dann erfuhr, die Wehrmacht suche eine Lagerhalle für die Uniformen, bot er den Saal an. Mit dem Ende der Versammlungen herrschte dann auch Ruhe vor den Aufmärschen.
Der liebste Platz der Leute war aber der Platz am Ofen. Gretl, die Tochter der Bischofs, erzählte eine Anekdote von einer Steinhäger-Flasche. Diese wurde mit Sand gefüllt und am Ofen gewärmt, so dass man sie abends als Wärmflasche mit ins Bett nehmen konnte. Einmal wurde versehentlich nasser Sand eingefüllt. Die Flasche im Ofen explodierte, was klang, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Der Schrecken stand den Leuten im Gesicht.
Saal als Gotteshaus
Nach dem Krieg kamen viele evangelische Flüchtlinge in den Ort. Sie hatten in dem katholisch geprägten Neunkirchen keine Kirche, und so funktionierten sie am Sonntagmorgen den Saal zum Gotteshaus um. Abends wurde dort getanzt, frühmorgens gebetet.