Machtkampf stößt auf Unverständnis
Autor: Redaktion
Kulmbach, Dienstag, 03. Juli 2018
Was sagen die Kulmbacher Politiker zur Einigung der Unionsparteien und zum Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel?
Das Schlimmste scheint abgewendet - sprich: ein Bruch innerhalb der Union und damit der Koalition zwischen CDU/CSU und SPD. Oder doch nicht? Wie entwickelt sich der Disput zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer weiter? Und was taugt der angebliche Asyl-Kompromiss? Das Thema bewegt auch die Lokalpolitik in Kulmbach.
"Es ist wichtig, dass ein Kompromiss gefunden wurde", sagt Oberbürgermeister und CSU-Kreisvorsitzender Henry Schramm. Um dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden, seien Lösungen vonnöten, mit denen man der ungebremsten Einwanderung Einhalt gebieten könne. Zum Disput Seehofer-Merkel, CSU kontra CDU, erklärt Schramm, dass es darauf ankomme, dass die Regierung handlungsfähig bleibt. Bei Koalitionspartnern sei es normal, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. "Politik ist die Kunst des Machbaren", erklärt Schramm, für den feststeht: "Ohne den Druck von CSU und Seehofer wäre es auch zu keiner europäischen Vereinbarung gekommen."
Landtagsvizepräsidentin Inge Aures (SPD) spricht bei dem Kompromiss von "Trick 17". Denn die Sache werde von CDU/CSU nun so hingedreht, "dass die SPD den Schwarzen Peter hat". Schon vor Jahren seien Transitzentren Thema gewesen. Inge Aures kritisiert: "CDU/CSU können keine Ergebnisse vorlegen, wenn der dritte Koalitionspartner gar nicht mit am Tisch saß."
SPD für zügige Asylverfahren
Wie sich nun die SPD in Berlin verhalten wird, dass könne sie nicht sagen. Sicher seien die Sozialdemokraten weiterhin gegen geschlossene Lager, aber für zügige Asylverfahren. "Das muss schnell gehen." Aures sieht aber auch weiterhin die EU in der Pflicht. "Die kann sich nicht einfach wegducken. Es muss eine europäische Lösung her." Sie könne sich auch nicht vorstellen, dass der österreichische Kanzler von den Zentren vor seiner Haustür begeistert sei. Verlierer in dem Streit sind in ihren Augen die Bürger, die kein Verständnis mehr für dieses Hickhack hätten. Ihr Wunsch: "Dass die endlich anfangen zu regieren, statt sich die Köpfe einzuschlagen."
Diese Ansicht vertritt auch FDP-Bezirksvorsitzender Thomas Nagel. Seehofer habe ("typisch für ihn") wieder laut gebrüllt und mit dem Rücktritt vom Rücktritt ein medienwirksames Scharmützel geboten, durch das die Politik in der Bevölkerung ein Stück Glaubwürdigkeit verliere. "Dieses Verhalten, mit dem die abtrünnigen AfD-Wähler wieder gewonnen werden sollen, ist nicht nur schädlich für alle Parteien, sondern für die gesamte Demokratie", so Nagel, der die Gefahr sieht, dass die Politikverdrossenheit zunimmt und die extremen Parteien gestärkt werden.
Die SPD habe im übrigen schon vor drei Jahren Transitzentren abgelehnt. Aus Sicht der FDP sei eine europäische Lösung notwendig, das habe auch Christian Lindner immer wieder betont. Österreich habe aber bereits eine eigene Regelung an der Grenze zu Italien angekündigt.
Neuwahlen tun Land nicht gut
"Wir Grüne sehen das mit echter Sorge und haben immer gehofft, dass sich die Kontrahenten zusammenraufen", sagt Dagmar Keis-Lechner, Sprecherin des Grünen-Kreisverbands und Spitzenkandidatin für die Bezirkstagswahlen. Dem häufig geäußerten Vorschlag nach Neuwahlen kann die Kulmbacherin nichts abgewinnen. "Mal abgesehen davon, dass es da auch so manche juristische Hürde gibt: Ich glaube, dass das Deutschland per se nicht guttut." Das Gebaren Seehofers wertete sie als "typisches Poltern vor der Landtagswahl. Schlimm ist, dass dieses Poltern und die CSU-Angst vor Abwanderung der rechten Wählerschaft zutiefst die Gemeinschaft innerhalb der EU belasten."Ob der angestrebte Kompromiss tatsächlich auch eine Lösung für die Asylfrage darstellt? "Man hat sich in der Union irgendwie geeinigt. Aber es bleiben wesentliche Fragen unbeantwortet: Ist das rechtlich haltbar? Wie verhalten sich Italien und Österreich? Und wenn ich Leute in diesen Aufnahmezentren - manche sagen Lager - einsperre: Wie reagiert die unmittelbar betroffene Bevölkerung darauf?" Dagmar Keis-Lechner vermisst in der Debatte nicht nur die Menschlichkeit, sondern sorgt sich um einen "um sich greifenden Alltagsrassismus". Dieser könnte einem - von den Grünen jahrzehntelang eingeforderten - Einwanderungsgesetz einen Riegel vorschieben.
Eine klare Meinung zu dem Thema hat der Landtagskandidat der Freien Wähler, Rainer Ludwig. Seehofer habe mit seiner Meinung zwar ein großes Publikum hinter sich, die Freien Wähler und er persönlich seien aber der Auffassung, dass Asylpolitk ohne eine Abstimmung auf europäischer Ebene nicht funktioniert. "Insofern begrüße ich die Initiative von Angela Merkel und den erzielten Kompromiss, bedaure aber die Hartnäckigkeit Seehofers, weil es sich hier nur um einen persönlichen Machtkampf handelt". Die europäische Lösung müsse, so Rainer Ludwig, aber durchgängig sein - und zwar bis hinunter auf Landkreisebene. hn/JG/mü/jn