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Lockdown trifft auch die Wärmestube


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Freitag, 13. November 2020

Der Treffpunkt "Menschen in Not" in der Siechenstraße kann derzeit nur für Obdachlose offen stehen. Von Armut Betroffene holen sich am Fenster der Einrichtung - "ein Sinnbild der Krise" - Lebensmittel ab.
Erich lebt seit 15 Jahren auf der Straße und sucht in kälteren Tagen die Bamberger Wärmestube in der Siechenstraße auf. Foto: Marion Krüger-Hundrup


Marion Krüger-Hundrup Sinkende Außentemperaturen, hohe Infektionszahlen, kein Schlafplatz bei Verwandten oder Freunden. Menschen ohne Wohnung steht ein harter, möglicherweise tödlicher Winter bevor. Für Obdachlose wird es in der Pandemie noch bitterer werden. Die Schwächsten der Gesellschaft sind ohnehin jetzt schon am stärksten von der Krise betroffen. Hilfsangebote wie zum Beispiel Kleiderkammern und Tafeln mussten reduziert oder ganz dichtgemacht werden.

In Bamberg gibt es immerhin den Treffpunkt "Menschen in Not" mit seiner Wärmestube in der Siechenstraße. Doch Corona bringt auch diese ökumenische Einrichtung der Caritas und Diakonie selbst in Not. Nämlich die Not, in diesen schwierigen Zeiten nicht mehr für alle die bisherigen Angebote aufrechterhalten zu können: "Wie schon beim ersten Lockdown im Frühjahr müssen wir uns erneut auf die Unterstützung der tatsächlich Obdachlosen beschränken", sagt Peter Klein, seit 13 Jahren Leiter des Treffpunkts.

"Unser Angebot ist seit jeher nur durch das große Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter möglich", erklärt Klein weiter. Der Großteil der Ehrenamtlichen sei über 60 Jahre alt und gehöre damit zur Risikogruppe. Folglich "fallen derzeit viele Helfer aus".

Unter der Woche werde der Betrieb durch die hauptamtlichen Mitarbeiter und jüngere Ehrenamtliche gewährleistet. Doch an den Wochenenden müsse die Wärmestube öfters schließen. Das macht sich besonders an den Mahlzeiten bemerkbar: "Warmes Mittagessen gibt es im Treffpunkt derzeit nur an zwei statt wie üblich an fünf Wochentagen", so Peter Klein. Ansonsten sorgten Backwaren, die drei Bamberger Bäckereien dankenswerter Weise spendeten, für hungrige Mägen.

Allerdings müssten die von Armut betroffenen Gäste, die sonst regelmäßig den Treffpunkt aufsuchen, jetzt ganz auf soziale Kontakte, Essen in Gemeinschaft und Gespräche mit Schicksalsgefährten verzichten: "Um die Abstandsregelung einzuhalten, dürfen derzeit maximal 20 Gäste gleichzeitig in die Wärmestube", sagt Klein. In normalen Zeiten seien es 40 und mehr.

Seit 15 Jahren obdachlos

Um "Obdachlose von der Straße nicht völlig schutzlos zu lassen", sei nun wenigstens für diese Menschen die Wärmestube geöffnet. Etwa 15 bis 20 kommen pro Tag, nutzen die Möglichkeit zu duschen, ihre Kleidung zu waschen, in ihren Postfächern - 100 gibt es für Wohnungslose und Obdachlose - nach Briefen zu suchen. Oder sich einfach "nur" aufzuwärmen.

So wie Erich etwa, der genussvoll ein belegtes Brötchen verspeist und sich von Peter Klein heißen Kaffee einschenken lässt. "Jetzt bei der Kälte bin ich hier", erzählt der 57-Jährige. Sonst "ist bei schönem Wetter die Kettenbrücke mein Wohnzimmer", ergänzt Erich. Seit 15 Jahren ist er obdachlos, "ich schlafe draußen". Den Arbeitsplatz verloren, die Wohnung ebenso, die Partnerin obendrein: "Schwierig", sagt er nur.

Und für Peter Klein ist diese Auflistung noch lange kein Grund, "alles wissen zu müssen, um zu helfen". Er nehme eine "akzeptierende Haltung" ein: "Jeder entscheidet für sich selbst, ob und was er in seinem Leben verändern möchte", beschreibt Peter Klein eine Grundlinie der Beratung für Obdachlose, die der Treffpunkt weiterhin anbietet. Und Schlafsäcke, die auch Minustemperaturen standhalten: "Ein Schlafsack ist die einfachste Form der Überlebenshilfe bei Kälte", weiß Klein vor dem Hintergrund, dass "seine" Obdachlosen keine städtischen Notunterkünfte aufsuchen und auch nachts draußen bleiben.

Er zeigt auf ein Fenster, das sich zur Äußeren Löwenstraße hin öffnen lässt. "Ein Sinnbild der Krise" nennt Klein dieses Fenster, durch das Bedürftigen Lebensmittel wie Brot und Konserven gereicht werden. Ob ihre Zahl aktuell weiter ansteigt, ob Wohnungslosigkeit zunimmt, wagt Peter Klein nicht vorherzusagen: "Bisher konnten wir keine coronabedingte Zunahme an Fällen feststellen." Allerdings sei es für eine Bestandsaufnahme zu früh. Bis ein ordentliches Räumungsverfahren durchlaufen ist, vergehen etliche Monate: "Frühestens Mitte nächsten Jahres wird sich eine Tendenz erkennen lassen", erklärt Klein.

Um in diesen Corona-Zeiten die Kontakte so weit wie möglich herunterzufahren, nimmt der Treffpunkt keine Sachspenden an. Auch die traditionelle Weihnachtsfeier für Obdachlose im Jugendkulturtreff "ImmerHin" fällt voraussichtlich der Pandemie zum Opfer. Weit über 100 Personen suchen sonst dort am Heiligen Abend etwas Feiertagsstimmung und Geborgenheit.

Natürlich erhält der Treffpunkt "Menschen in Not" von der Stadt Bamberg, dem Land Bayern und den kirchlichen Trägern der Einrichtung einen jährlichen Förderbetrag - auch für die seit 2016 im Haus befindliche Zentrale Beratungsstelle für Strafentlassene. Doch über 70 000 Euro Spendenanteil muss der Treffpunkt jedes Jahr aufbringen. "Ohne die finanzielle Großzügigkeit vieler Bürger, Firmen, Institutionen und Gruppierungen aus Bamberg und dem Umland würde es den Treffpunkt Menschen in Not nicht geben, ihnen allen gilt mein besonderer Dank", betont Leiter Peter Klein. Und bittet auch im nunmehr 25-jährigen Bestehen der Einrichtung um offene Herzen und Geldbeutel.