Liebe statt Einsamkeit
Autor: Anette Schreiber
Oberhaid, Mittwoch, 03. Februar 2016
Jetzt muss Stefan Hartmann sehen, wie er Geld verdient. Der ehemalige Oberhaider Pfarrer schied für eine Frau aus dem Klerikerstand aus. Über vier Jahre sind's noch bis zur Rente.
Anette Schreiber
Die Waschmaschine kann er schon länger bedienen, kochen auch. Krankenversichert hat er sich inzwischen, jetzt muss er vor allem eines: Geld verdienen. Stefan Hartmann, der momentan bekannteste Ex-Pfarrer in der Region, stellte die Liebe vor Sicherheit: "Ich habe diese fürchterliche Einsamkeit nicht mehr ausgehalten!"
Mit seiner Lebensgefährtin Sandra Dorn kam er zum Redaktionsgespräch. Erst kürzlich war er präsent in einer "Nacht-café"-Sendung im Fernsehen.
Vor zwei Jahren hatte sich der promovierte Theologe und Oberhaider Pfarrer öffentlich zu seiner Tochter bekannt. Es folgten Anfeindungen, Diskussionen, Hoffnungen. Dem Geistlichen wurde klar, dass er nicht mehr alleine durchs Leben gehen wollte. Er schrieb an den Papst, wollte die Befreiung vom Zölibat und zugleich die Erlaubnis, weiter Pfarrer sein zu dürfen.
Er erhielt "nur" die Befreiung vom Gelübde und die Erlaubnis, ohne Pomp kirchlich zu heiraten.
In Sandra Dorn sieht er seine große Liebe. Mit ihr möchte Hartmann sein Leben verbringen. Seit Februar ist der 61-Jährige "arbeitslos": Er ist offiziell aus dem Klerikerstand entlassen, darf nun zwar heiraten, aber keine Seelsorge mehr betreiben. Zumindest nicht in Diensten der katholischen Kirche und nicht im Erzbistum Bamberg. Auch Religionsunterricht ist tabu, da er dafür die Missio des Erzbischofs bräuchte. Eher unwahrscheinlich. Bis zur Rente, für die das Erzbistum die Beiträge nachbezahlt hat, sind es über vier Jahre. Derzeit lebt Hartmann von Erspartem.
Seine intensive Suche nach Arbeit, mit der er als promovierter Theologe Geld verdienen kann, unterstützt Lebensgefährtin Sandra Dorn, freie Uni- und VHS-Dozentin, Journalistin sowie Buch-Autorin.
Sie hat für ihn einen Flyer entworfen, in dem er seine Dienstleistung beschreibt: als freier Redner oder Textgestalter bei freudigen wie trauervollen Anlässen oder auch seelsorgerische Beratung und Begleitung.
Dienste angeboten
Stefan Hartmann hat sich beim Schulamt als Ersatz-Lehrer für Ethik und Philosophie angedient. Die Dinge müssen sich entwickeln, sagt er. Speziell bei Trauerinstituten scheinen seine Dienste (als Trauerredner) eine Lücke zu schließen. Insgeheim hatte er gehofft, dass Erzbischof Ludwig Schick ihn doch mit einer Aufgabe betrauen würde. Trotz allem: "Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen", schildert er seine emotionale Situation, "ich bin erleichtert." Es war, wie er deutlich macht, die grenzenlose, gnadenlose Einsamkeit, die ihm zusetzte. Das festigte auch seinen Wunsch nach einer Ehe. Geht alles seinen Gang, so könnte er mit Sandra Dorn noch heuer vor den Altar treten.
Was hat die zwei zusammengeführt? Sandra Dorn brauchte Bamberger Prominente für ihr Projekt, ein interessantes Interview. Sie fand ihn sympathisch, er sie nett. Nach dem zweiten Treffen zum Buchprojekt entdeckte man gemeinsame Interessen. Es folgte eine platonische Freundschaft, man ging spazieren oder in Konzerte. Ein Jahr.
Dann wurde ihr klar, dass es mehr war. Auch Hartmann entdeckte seine Gefühle. Im Gegensatz zu anderen katholischen Pfarrern wollte er sich nicht verstecken, sich nicht durchmogeln, wie er es nennt, sondern sich öffentlich frei bewegen.
Seine Partnerin fand es wichtig, Signale an andere Frauen zu senden. "Zölibatäre Priester sind für manche Damen Freiwild, Zielscheibe romantischer Sehnsüchte", findet die 49-Jährige. Das Paar geht seinen Weg: Hartmann zieht vom 280 Quadratmeter großen Pfarrhaus in die gemeinsame 58-Quadratmeter-Mietwohnung. Ein Viertel seiner Bibliothek muss er einlagern. Anfang des Jahres trat das Paar erstmals in Oberhaid offiziell zusammen auf.
Positives Echo
Wie sehen das die Familien der beiden? Positiv. Das gilt für Hartmanns 26-jährige Tochter ebenso wie für Dorns 16-Jährige aus einer vorherigen Ehe. Auch das Umfeld reagiere zu 99 Prozent positiv, sagen sie. Die Zeit für ein Umdenken sei reif, finden die beiden, die nach wie vor in der katholischen Kirche verwurzelt sind und selbstverständlich Gottesdienste besuchen. Stefan Hartmann ist vor allem an Weihnachten und anderen großen kirchlichen Festen jetzt viel entspannter. Die Hoffnung ruht auf Papst Franziskus.
Im Rückblick meint der Theologe: "Ich habe mich stark überschätzt mit dem Zölibatsversprechen als 27-Jähriger. Ich wollte den Menschen helfen und beistehen", schon damals, als er vor der Theologie Psychologie studierte. Das Paar fühlt sich der Bibel verpflichtet und bestärkt: "Liebe ist ein göttliches Geschenk, die größte Sünde wäre, sich dagegen zu stellen." In seinem Inneren, so bilanziert Stefan Hartmann, bleibe er Seelsorger.