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Lichtenfelser Landwehr machte mobil


Autor: Andreas Welz

Lichtenfels, Freitag, 23. Sept. 2016

Vor 150 Jahren tobte der Deutsche Krieg. Verwundete lagen in den Spitälern der Stadt und die Bevölkerung spendete Verbandsmaterial, Bier und Zigarren für die Kriegsverletzten. Ein Blick ins Lichtenfelser Tagblatt.
Die Spitäler waren im Juli und August 1866 mit Verwundeten des Deutschen Krieges überfüllt. Unser Bild zeigt die Spitalkirche "Zur Schmerzhaften Muttergottes" in Lichtenfels.


Lichtenfels — Der Deutsche Krieg von 1866 forderte auch im Landkreis Lichtenfels zahlreich Todesopfer. Das Lichtenfelser Tagblatt berichtete darüber ausführlich. Ursprünglich als Preußisch-Deutscher Krieg bezeichnet - war die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Bund unter dem Vorsitz des Bundesstaates Österreich einerseits und dem Bundesstaat Preußen sowie dessen Verbündeten andererseits. Der Konflikt war der zweite der sogenannten deutschen Einigungskriege nach dem vorangegangenen Deutsch-Dänischen und vor dem noch folgenden Deutsch-Französischen Krieg.
Im Juli 1866 gingen zahlreiche Truppentransporte durch Lichtenfels. Es folgte die Mobilmachung der Lichtenfelser Landwehr. Der Betrieb der Werrabahn mussten wegen Sabotage eingestellt werden. Die Gleise in Schney wurden abmontiert und der Bahndamm abgegraben. Am 14. Juli berichtete das Blatt von Kämpfen mit Verlusten auf bayerischer Seite. Die Landwehr in Lichtenfels nahm an den Kampfhandlungen teil. Von der Pflicht, Waffen zutragen, war nur der geistliche Stand ausgenommen.
Am 17. Juli erging der Aufruf vom Lichtenfelser Bezirksamtmann, Verbandsmaterial abzuliefern. Viele Verwundete belegten die Spitäler. Es wurde aber auch um Rauchfleisch, guten Wein, Branntwein, Bier und Zigarren angehalten. "So werden alle edlen Menschenfreunde dringendst gebeten, auch solche Gaben auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen", schreibt das Lichtenfelser Tagblatt.


Hilfe aus Schwürbitz

Es fand eine Welle der Hilfsbereitschaft für die verwundeten Soldaten statt. Jede Gemeinde steuert ihr Scherflein bei. In Schwürbitz werden zum Beispiel eine große Partie Verbandszeug und 800 Zigarren gespendet. In Buch werden fünf Gulden und 17 Kreuzer gespendet, in Lichtenfels 216 Gulden und 27 Kronen in Silber- und Goldmünzen.
Am 1. August nehmen die Preußen Würzburg ein. Der Postzug nach Lichtenfels fällt aus. Das Tagblatt meldet: "Daher keine überörtlichen Nachrichten". Am 10. August werden Lichtenfels und einige Ortschaften besetzt. Das Leben im Jahr 1866 ging auch während des Krieges weiter. So gründeten 56 hiesige Bürger und Beamte einen Verschönerungsverein für Lichtenfels. Als Erstes wurden wieder Bäume und Sträucher am Burgberg gepflanzt, nachdem Vandalen die bestehende Anlage zerstört hatten.


Viehtransporte nach England

Im April treffen jeden Sonntag Viehtransporte in Lichtenfels ein, die über die Werrabahn nach Bremen gelangen und dann per Schiff nach England. Jeweils 40 Wagen mit 200 Stück Vieh werden transportiert. Grund ist die Viehseuche in England. Bei 13 000 Gulden Frachtkosten sind die Fleischpreise dort ungeheuer.
Am 9. Dezember ist die Generalsanierung der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen nach dem verheerenden Brand 1835 abgeschlossen. Neue Freskengemälde schmücken die Seitenwände. Die frisch vergoldeten Figuren glänzen und die Stuckateurarbeiten an den Nothelferfiguren sind abgeschlossen. Die 1848 neu gefertigte Orgel erhält einen 32-fußigen Bass. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 16 000 Gulden.
Das Jahr 1867 hatte auch einige unliebsame Überraschungen parat. So grassierte die Cholera, an der viele Menschen starben. "Seit dem 18. Mai werden alle mit der Werrabahn hier ankommende Passagiere in einer eigens hierzu am Perron gebauten Desinfektionshütte geräuchert. Desgleichen Hütten sind auch in Buch am Forst und Lettenreuth errichtet, wo alle auf dem Weg nach Coburg anlangenden Personen ebenfalls geräuchert werden." Die Cholera fand 1865 70 000, bis Ende September 1866 50 000 Tote.
Auf Wegen und Plätzen wurden zahlreiche Büsche und Bäume gepflanzt. "Zum Burgberg und nach Kösten entstehen Pappelalleen. Hausfrauen werden gebeten den jungen Bäumchen auf dem Schießanger nicht zu früh den ,Waschstrick‘ (Wäscheleine) um den Hals zu legen."


Festliche Weihe der Synagoge

Am 21. September findet die Einweihungsfeier der restaurierten Synagoge in Lichtenfels statt. Ein Zug bewegte sich vom israelischen Schulhaus mit den Thorarollen unter Posaunen- und Trompetenstößen zum Gotteshaus und die Rollen werden in den geschmackvoll verzierten Schrein gesetzt. Die christliche Geistlichkeit aus Lichtenfels und Schney, Handwerksmeister sowie alle Titularbeamten nehmen daran teil. Am 4. Oktober gehen zwei Züge zum Oktoberfest ab. Die Fahrzeit von Lichtenfels nach München dauert rund elf Stunden. Königliche Hoheit Maximilian in Bayern verehrt der SG Lichtenfels anlässlich seiner Vermählung einen silbernen Pokal. Vater Herzog Wilhelm war Mitbegründer der SG.
Am 26. Oktober veröffentlichte das Blatt einen Leserbrief: "Arbeiten ist keine Schande, wenn dieselbe gemäß dem Stande und der Person entspricht. Sich aber als Schullehrer mit der Brille auf der Nase zu einem Korbe junger Schweinchen zu stellen und solche feilzuhalten - wie es am vergangenen Montag auf dem Schweinemarkt in Staffelstein geschah - ist doch nicht zeitgemäß, sondern wird an Zeiten erinnert, in welcher Hirten und Handwerker als Schullehrer verwendet wurden."


Orkan deckt Dächer ab

Am 9. März 1868 tobt ein Orkan in Lichtenfels, der große Schäden verursacht. "Dächer samt Dachstuhl abgedeckt, Kamine umgeworfen, Häuser stark beschädigt, Fenster geborsten, Gaskandelaber wie Strohhalme abgebrochen", zählt das Tagblatt auf. Ein Hannoveraner Güterwagen wird von Dachsparren durchbohrt. Ein ankommender Güterzug treibt der Orkan bis außerhalb der Stadt, wo er erst zum Stehen gebracht werden kann. Am 27. Juli findet erstmals beim Lichtenfelser Freischießen am 27. Juli eine große Landwirtschafts- und Industrieausstellung statt. "Den Stern- und Glanzpunkt unseres Festes aber wird der heutige Tag bilden, an dem die Produkte unsrer Landwirtschaft und Industrie gebührende Anerkennung und Würdigung erfährt", heißt es. "Es fand eine große Verlosung von Nutztieren, landwirtschaftlichen Geräten, Maschinen statt. Die Zahl der Umzugsteilnehmer wurde auf 7000 geschätzt."
In diesem Jahr vernichten Feuersbrünste Städte und Dörfer. Das Blatt klagt über den schlechten Zustand der Geräte, schwache Löschmaschinen und ungeübte Mannschaften. Es fehle an Löschwasser. Die an den Kommunen angestellten Feuerwehrleute seien faul und unpünktlich. Die Bildung von Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Lichtenfels beginnt.
Ein Dorn im Auge frommer Menschen ist der Kalender "Lahrer hinkende Bote", der im Tagblatt zum Jahresende häufig annonciert. In einem Leserbrief werden die Verhöhnung der Kirche und die recht freizügigen Abbildungen angeprangert.