"Last der Geschichte" ausgehalten
Autor: Rudolf Görtler
Erlangen, Mittwoch, 05. Dezember 2018
Das Erlanger Markgrafentheater feiert ab Januar mit einem monatelangen Extraprogramm seinen 300. Geburtstag.
Rudolf Görtler Es war immer etwas Besonderes, und auch das Odium des Prekären strahlte es bis in die Gegenwart aus. Zwar ist es das älteste Barocktheater Süddeutschlands, doch hatte es in 300 Jahren manche Krise durchzustehen. Ja, nicht allzu lange ist es her, dass im Stadtrat ernsthaft über die endgültige Schließung des Markgrafentheaters diskutiert worden ist. Es hat ja im Norden mit der Konkurrenz des Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theaters und des Coburger Landestheaters, im Süden mit den Fürther und Nürnberger Häusern zu kämpfen. Doch irgendwie schafften es die Erlanger, vom frühen 18. Jahrhundert bis heute am Leben zu bleiben. Und den 300. Geburtstag wollen sie angemessen feiern.
Was Intendantin Katja Ott bei einem Treffen mit OB Florian Janik und Anke Steinert-Neuwirth, der Kulturreferentin Erlangens, naturgemäß bekräftigte. Der Oberbürgermeister blickte ehrfürchtig auf 300 Jahre Erlanger Theatergeschichte, sah sich fast "von der Last der Geschichte erdrückt" und ermutigte Ensemble und Leitung, die Kontinuität dieser Geschichte fortzusetzen: in der jeweiligen Zeit für Diskussionen zu sorgen. "Dinge ausprobieren" solle das Theater und auch Menschen gewinnen, die der dramatischen Kunst - noch - fernstünden.
In die gleiche Kerbe hieb Anke Steinert-Neuwirth. Rückblickend auf heftige Diskussionen um die Existenz des Hauses, sah sie das Markgrafentheater nunmehr in Erlangen "verankert", als "nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Stadtgesellschaft". Ein elementarer Unterschied, ja Fortschritt zu den absolutistischen Zeiten, als Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayeuth mit Gattin Sophia das Gebäude erbauen ließ und am 10. Januar 1719 mit der Oper "Argenis und Poliarchus" eröffnete - Amüsement für eine winzige Oberschicht.
Dies wird sich trefflich nachlesen lassen im Buch "300 Jahre Theater Erlangen. Vom hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus zum Stadttheater der Zukunft" von der Dramaturgin Karoline Felsmann und der Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros, Susanne Ziegler. Es wird am 18. Januar des kommenden Jahres erscheinen. Ein Auszug liegt in einer Broschüre "Theater Erlangen. 300 Jahre" bereits vor.
Festakt im Januar
Just am 18. Januar wird ein Festakt stattfinden, der ein Jubiläumswochenende eröffnet, mit Gästen wie Bernd Sibler (CSU), dem Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, und dem Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon. Dem Akt folgt eine Premiere: Nicht zufällig wurde Bert Brechts "Aufhaltsamer Aufstieg des Arturo Ui" gewählt. Die Parabel über die Karriere des Adolf Hitler passt zu aktuellen Entwicklungen.
So wie das Markgrafentheater dezidiert ein politisches Theater sein will, vielleicht in Abgrenzung zu programmatisch anders akzentuierten Häusern in der Nachbarschaft. Das Wochenende klingt mit einem Jubiläumsfest aus, das unter anderem auch eine Führung durch eine Ausstellung im Stadtmuseum ("Was für ein Theater! 300 Jahre Markgrafentheater in Erlangen" vom 9. Dezember bis 3. März) beinhaltet. Über "Tresenlesen" und eine Performance "Bed & Breakfast" im März und April - bei Letzterer kann das Publikum eine Nacht auf der Bühne verbringen - und eine Ringvorlesung geht es zum Festwochenende vom 3. bis 5. Mai. Höhepunkt ist eine Live-Film-Inszenierung "Farm der Tiere" nach der satirischen Fabel von George Orwell. Der folgt "Femdom", das "Manifest einer neuen Weiblichkeit", als Gewinnerin des Regienachwuchswettbewerbs 2018. Den Kultursonntag am 5. Mai rundet die Inszenierung einer "Bürgerbühne" zum Thema "Wo wohnen" ab.
Der Weg in die Öffentlichkeit
Diese "Bürgerbühne" ist ein deutliches Indiz, wohin die theatralische Reise geht - in die Öffentlichkeit, in die Suche nach Vernetzung mit und Verankerung in der Bürgergesellschaft. Das zeigen Workshops und Diskussionsveranstaltungen, jede Menge Kinder- und Jugendtheater und ein Mix aus Eigenproduktionen, Gastspielen und Wiederaufnahmen. Dies alles mit einem kleinen Team und einem Haus, das eine Generalsanierung benötigt. Doch das Markgrafentheater hat in 300 Jahren so manche Krise gemeistert.