Kurze Hosen, lange Strümpfe, Care-Pakete
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Dienstag, 06. Juni 2017
Der 75-jährige Gerd Ranwig, der heute in Erlangen lebt, hat das Klassentreffen in der Gangolfschule organisiert. Er kann sich noch gut an die ersten Schulja...
           
Der 75-jährige Gerd Ranwig, der heute in Erlangen lebt, hat das Klassentreffen in der Gangolfschule organisiert. Er kann sich noch gut an die ersten Schuljahre ab 1947 erinnern.
Wie war es damals, vor 70 Jahren, als Sie in Bamberg eingeschult wurden?
Gerd Ranwig: Es herrschte so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein große Not. Wohnraum war knapp, Kleidung und Nahrung gab es nur auf Marken, einfach ins Geschäft gehen und kaufen, ging nicht.
In welchem Outfit sind Sie denn in die Schule gegangen?
Da es auch für Kinder keine Kleidung zu kaufen gab, nähte mir meine Großmutter aus irgendwelchen Stoffresten eine kurze Hose, für eine lange hat der Stoff nicht gereicht. Damit mir nicht kalt war, strickte mir Oma lange Strümpfe, gehalten durch ein Leibchen, das unter der Hose getragen wurde und von dem Bänder nach unten zu den Oberschenkeln reichten. Daran wurden die Strümpfe festgemacht. Da alles sehr knapp bemessen war, zeigte sich zwischen Hose und Strumpf blanke Haut. Auch die Haltebänder waren zu sehen. So musste ich in die Schule gehen, Wie habe ich mich geschämt! Ein Bub in Mädchenstrümpfen!
Haben die Mädchen Sie gehänselt?
Wir waren eine reine Bubenklasse. Es war damals in Bamberg üblich, die Geschlechter in der Schule zu trennen. Dass es auch Mädchen in unserer Schule gab, fiel mir erst auf, als wir in der dritten Klasse zur Erstkommunion gingen. Da sah ich erstmals Mädchen in weißen Kommunionkleidern.
Was war damals noch anders als in der heutigen Schulzeit?
Wir alle litten Hunger. Die Lebensmittel waren ja rationiert, die Zuteilungen von Marken reichten nicht aus. Wir Schüler der Gangolfschule bekamen immerhin eine Schulspeisung. Denn die Glaubensgemeinschaft der Quäker in Amerika sandte uns Care-Pakete. Wir bekamen einen süßlichen Maisbrei, der mit Rosinen gespickt war. Ich persönlich mochte diesen Brei nicht besonders, da er nach meinem Geschmack zu süß war. Doch Hunger ist bekanntlich der beste Koch.
Wie erleben Sie es, nach 70 Jahren wieder in Ihre alte Schule zurückzukehren?
Es ist ein sehr emotionaler Moment! Erinnerungen kommen hoch und Dankbarkeit, dass die Buben und Mädchen heute bessere Bedingungen haben als wir damals. Aber schön war die Kinderzeit trotz allem!
Das Gespräch führte Marion Krüger-Hundrup.