Druckartikel: Kurvenfahren bis der Tank leer ist

Kurvenfahren bis der Tank leer ist


Autor: Josef Hofbauer

Forchheim, Donnerstag, 01. Juni 2017

Die Zahl der Motorradunfälle ist in Oberfranken erneut gestiegen. Besonders bei schönem Wetter steigt die Risikobereitschaft der Biker. Besonders beliebt sind die kurvenreichen Strecken am "Würgauer Berg" und im Ailsbachtal.
Auf zwei Rädern wird Mobilität zur Freiheit, finden Biker. Doch viele überschätzen ihr Können.  Foto: Josef Hofbauer


Josef Hofbauer

An schönen Tagen wird die B 22 bei Würgau zur Rennstrecke für Motorradfahrer. Es sind die elf Kurven, die gerade für die Biker eine besondere Herausforderung darstellen. Die Besitzer PS-starker Motorräder von Yamaha, Kawasaki, Suzuki, Honda, Dukati oder BMW wollen es wissen, ob sie die Kurve kriegen, riskieren mit waghalsigen Manövern buchstäblich Kopf und Kragen.
So wie früher in der "Applauskurve" bei Nankendorf. Dort warteten vor Jahren Schaulustige regelrecht darauf, dass jemand "abhob". Jetzt hat die Polizei den Parkplatz gesperrt. Ein "neuralgischer Punkt", so Manfred Hänchen, Chef der Polizeiinspektion Ebermannstadt, "ist im Ailsbachtal in der Fränkischen Schweiz die Strecke zwischen Behringersmühle und Oberailsfeld." Diese Strecke werde trotz Polizeipräsenz immer wieder für "Rennen" genutzt. "Da fahren die Biker bis der Tank leer ist", weiß Hänchen. Auch auf der neu asphaltierten Strecke von Ebermannstadt zur Burg Feuerstein wurden vermehrt Motorradfahrer gesichtet, die ihr "Können" unter Beweis stellen wollten.


2016 gab es zwei Tote

Unfallschwerpunkte sind die Strecken aber nicht. Die Unfallzahlen mit Motorrädern in der Fränkischen Schweiz liegen zwischen 23 im Jahr 2015, 27 anno 2016 und 31 im Jahr 2014. Im Vorjahr waren zwei Todesfälle zu beklagen. Heuer gab es acht Motorradunfälle mit sieben Verletzten.
Im Internet kursieren Videos, die zeigen, wie Biker die Strecke zwischen Hammerbühl und Geschwand mit über 200 hinauf brettern, weiß Polizeichef Hänchen. Selbst ihre eigene Todesfahrt haben Biker schon gefilmt. "Grausam" findet das der Forchheimer Fahrlehrer Josef Metzner. Er erinnert sich daran, dass ein junger Mann für seine Freundin seine Fahrt durch die Fränkische Schweiz filmen wollte. Es wurde seine letzte Fahrt. Er kam mit dem Fußraster auf der Fahrbahn auf und verunglückte tödlich.
"Ich kenne viele Motorradfahrer, auch ehemalige Fahrschüler, die bei mir den Führerschein gemacht haben und jetzt im Rollstuhl sitzen", berichtet Metzner. Der Grund: Motorradunfälle.
Deshalb findet der Fahrlehrer: "Motorradfahren ist Charaktersache." Verbote brächten ebenso wenig wie Fahr-Sicherheitstrainings. "Weil jene, die ein Sicherheitstraining bräuchten, nicht hingehen", so Metzner. Auch die Angebote des ADAC seien laut Metzner mit Vorsicht zu genießen. Was unter "Erarbeiten von Schräglage-Reserven" angeboten werde, führe in der Praxis nur zu mehr Raserei. Noch schneller in die Kurve zu fahren, bedeute ein noch größeres Risiko, findet Metzner.
Die steigenden Unfallzahlen in Oberfranken zeigten, dass die Biker viel zu oft über das Limit hinausgingen. Der Beweis: Weit mehr als die Hälfte der Motorradunfälle sind selbst verursacht. Bei 309 von 549 Unfällen listet die Polizeidirektion Bayreuth als Unfallursache "eigenes Verschulden" auf.
Und: Die Zahl der tödlich verunglückten Motorradfahrer ist in Oberfranken gestiegen. In den Jahren 2012 und 2015 starben auf Oberfrankens Straßen jeweils acht Biker, 2014 waren es neun, 2013 zehn und im Vorjahr mussten sogar zwölf Biker in Oberfranken ihr Leben lassen.
Dabei lautet das Motto der Motorrad-Sternfahrt, bei der das Bayerische Innenministerium, Polizei und Fahrlehrer speziell die Biker für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sensibilisieren wollen, "Ankommen statt umkommen". Nach wir vor stellen die Motorradfahrer die größte Risikogruppe dar.


Es muss "Klick" machen

Solche Präventionsveranstaltungen, Schwerpunktaktionen mit Kontrollen, Verkehrsüberwachung und Fahrsicherheitstraining könnten aber nur Appelle sein, findet Fahrlehrer Josef Metzner. Selbst verbesserte Leitplanken mit so genanntem Unterfahrschutz, der verhindert, dass Biker unter der Leitplanke hindurch rutschen, könnten die Zahl der Todesopfer, die durch Selbstüberschätzung ums Leben kommen, nicht verringern, findet Metzner. "Es muss im Kopf klick machen", ist Metzner überzeugt. Pressesprecher Heiko Mettke vom Polizeipräsidium Oberfranken formuliert das so. "Die eigene Freiheit hört da auf, wo das Sicherheitsrisiko beginnt."
Die Knautschzone des Bikers ist sein Nasenbein. Deshalb rät Mettke den Motorradfahrern, alles zu tragen, was an Ausrüstung zur Verfügung steht. An erster Stelle stehen dabei die Protektoren, und natürlich sollte sich niemand von den sommerlichen Temperaturen dazu verleiten lassen, sich in kurzen Hosen auf seine Maschine zu setzen. Die Verletzungsgefahr ist riesig, zumal die Schutzzone wie etwa in einem Auto wegfällt! Deshalb schreibt das Polizeipräsidium Unterfranken in einem Flyer, der an die Motorradfahrer verteilt wird: "Es liegt an Dir, ob Du die Kurve kriegst, es liegt an Dir, ob Du wieder nach Hause kommst."