Kunst in Zeiten der Isolation
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Bamberg, Donnerstag, 26. März 2020
Ausgangsbeschränkungen nehmen den Künstlern die Einnahmequellen. Bietet die Ausnahmesituation auch Chancen? Die einen präsentieren sich im Internet, andere erledigen die Steuer - und viele fürchten um ihre Existenz.
Benjamin Bochmann kennt es eigentlich nicht anderes: Mal tritt er als poesiegewandter Cyrano de Bergerac im Bamberger "Theater im Gärtnerviertel" auf, mal als tierisches Mitglied der Bremer Stadtmusikanten in der Haßfurter Theaterwerkstatt. Sein Terminkalender war vollgestopft mit Proben und Aufführungen. Bis Corona das Land lahmlegte: "Da wir als freie Schauspieler arbeiten, liegt unser Verdienstausfall gerade bei nahezu 100 Prozent, und leider kann eben keiner sagen, wann diese Situation sich wieder lockert", erzählt Bochmann. Auch seine Frau Heidi Lehnert ist vielen Bambergern als Schauspielerin und Regisseurin bekannt.
Ohne Publikum keine Kunst
Doch lautet das Gebot der Stunde "Social Distancing". Der Rückzug in die eigenen vier Wände soll der Pandemie den Garaus machen. Was die Menschheit schützt, treibt Kunstschaffende in den Bankrott. Ohne Gäste werden Theater geschlossen und Konzerte abgesagt.
Vielen Künstlern sind alle Einnahmequellen weggebrochen. Die wirtschaftliche Situation freischaffender Künstler war auch vor Corona nicht leicht. Die meisten hangeln sich von Projekt zu Projekt. Krankheitstage werden eh nicht bezahlt. Jetzt, wo Veranstaltungen auf unbestimmte Zeit ersatzlos gestrichen sind, fürchten viele um ihre Existenz.
"Da blutet einem das Herz"
"Komplett alles, was geplant war, ist weggebrochen. Alle Vorstellungen. Da blutet einem das Herz. Vier, fünf Wochen lang hat man geprobt und jetzt weiß man nicht, ob man das Baby gebären darf", erzählt Aline Joers. Die Schauspielerin gehörte bis 2013 zum Ensemble des ETA-Hoffmann-Theaters Bamberg. Seither ist sie freiberuflich tätig. "Wir dürfen auch nicht proben. Zu viele Menschen an einem Ort", erzählt die 34-Jährige. "Home Office geht für Künstler auch, man erledigt bürokratische Sachen, Steuererklärung, aktualisiert die Präsenz im Internet. Aber du verdienst dabei nichts."
Ein paar Termine stehen noch
Auch Bochmann hoffte, die Zwangspause für anfallenden Papierkram nutzen zu können, seine Kinder hatten andere Pläne: "Während wir vor Ausbruch des Virus hauptsächlich tagsüber mit verschiedenen Projekten am Proben waren und unser Hauptproblem darin bestand, wer die Kinder während der Arbeit beaufsichtigt, besteht unsere Hauptaufgabe nun darin, die Kinder zu beschäftigen und den Schulstoff zu bearbeiten."
Auch wenn niemand vorhersehen kann, wann das öffentliche Leben wieder stattfinden darf, an den wenigen ausstehenden Terminen halten sich die Künstler fest. "Wir bleiben positiv, und bereiten jedes Projekt, das noch nicht abgesagt wurde, so vor, als ob es stattfindet", so Bochmann.
Auch Joers arbeitet weiter an ihrem nächsten Stück: Brechts Dreigroschenoper. Bühne wird dieses Mal die Malerwerkstatt der Handwerkskammer Oberfranken sein. Obwohl die Premiere vorerst verschoben wurde, nutzt sie die Ausgangsbeschränkung zum Textlernen: "Auch für die eigene Motivation, um Körper und Kopf frisch zu halten. Für einen selbst ist das wichtig."