Druckartikel: 40 Tage Verzicht

40 Tage Verzicht


Autor: Sandra Hackenberg, Stefanie Gleixner

Kronach, Dienstag, 16. Februar 2021

Rauchfrei und kalorienarm: Unsere FT-Reporter wagen das Fasten-Experiment.
Kann unsere Redakteurin ihren heiß geliebten Zigaretten abschwören?


Für Jesus von Nazareth kam die Versuchung in Gestalt einer Scheibe Brot. Auf sich alleine gestellt verharrte er 40 Tage lang in der Wüste, wo ihn der Teufel auf dem Berg der Versuchung auf die dunkle Seite zu ziehen versuchte. Nahrung, Reichtum und Unsterblichkeit versprach er dem Wanderprediger. Doch wie das Neue Testament berichtet, widerstand Jesus dank seines unerschütterbaren Glaubens. Als einzig menschgewordener Sohn Gottes ging er in die Geschichte ein - der Beginn einer Weltreligion .

Zugegeben, von so hohen Zielen sind die FT-Reporter weit entfernt. Doch ähnlich wie der spätere Messias des Christentums müssen sie in den nächsten Wochen ihren inneren Dämonen widerstehen. Unsere Redakteurin Sandra Hackenberg will nach 18 Jahren endlich mit dem Rauchen aufhören. Ihre Kollegin und Liebhaberin der deftigen Küche Stefanie Gleixner wagt sich ans Heilfasten und will täglich nicht mehr als 1000 (gesunde!) Kalorien zu sich nehmen. Unsere Reporter sind hoch motiviert. Doch der Weg im Frankenwald ist zwar nicht sandig, dafür aber steinig. Die Versuchungen lauern überall. Werden sie ihr Ziel erreichen oder kläglich scheitern? Ihre Fortschritte - oder ihren Leidensweg - werden unsere Redakteurinnen in den kommenden Wochen in einem losen Tagebuch festhalten und mit ihren Lesern teilen.

Das Ende einer ungesunden Beziehung

Ich tanze schon länger mit Glimmstängel durchs Leben als ohne. Aus voller Überzeugung bezeichne ich mich als Genussraucherin. Die Zigaretten - egal ob gekauft oder selbst gedreht - sind mein treuer Begleiter. Wir beginnen den Tag direkt nach dem Aufwachen mit einer Tasse Kaffee und beenden ihn gemeinsam vor dem Schlafengehen. Egal ob ein Spaziergang, eine Autofahrt oder ein geselliger Abend mit Freunden: ohne Kippe ist es für mich nicht dasselbe. Und nicht zuletzt sind sie für mich in Stressmomenten kreative Verschnaufpause.

Ich bin keine Kettenraucherin, doch an einem gewöhnlichen Arbeitstag komme ich gut und gerne auf 20 Zigaretten. Dass es so weit gekommen ist, hätte ich selbst nicht gedacht. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich 15 war und meine beste Freundin fand, dass es cool wäre, doch mal eine Zigarette zu rauchen. Schnell fanden wir beide Gefallen an unserem verbotenen, neuen Hobby - rückblickend ich jedoch mehr als sie. Während ihnen meine Freundin vor ihrem 18. Geburtstag schon wieder abgeschworen hatte, führen die Glimmstängel und ich seitdem eine für mich sehr ungesunde Beziehung.

Natürlich weiß ich, dass Rauchen absolute Geldverschwendung ist und dazu auch noch wahnsinnig ungesund. Doch einem überzeugten Raucher braucht man mit logischen Argumenten nicht kommen. Daran ist meine Familie in den vergangenen 18 Jahren schon gescheitert. Wenn er nicht aus eigenem Willen heraus aufhören will, klappt es nicht. Da helfen weder Drohungen, noch Horrorgeschichten oder eklige Bilder von Raucherlungen.

Auch wenn ich es nie aktiv versucht habe: Für mich stand immer fest, dass ich nicht mein Leben lang rauchen will. "Mit 30 höre ich auf", war in meinen kompletten 20ern das Mantra. Dann feierten wir meinen 30. Geburtstag - mit einer Stange Zigaretten, die mir ein Freund von seinem jüngsten Tschechei-Ausflug mitgebracht hat.

Was mir tatsächlich bis heute gefehlt hat, war ein triftiger Grund. Als wir in der Redaktion vor ein paar Wochen darüber gesprochen haben, auf was wir zur Fastenzeit verzichten könnten, schoss mir das Versprechen in den Kopf, das ich meinem Körper vor langer Zeit gegeben und bis heute schändlich ignoriert habe. Nächste Woche werde ich 33. Dieses Lebensjahr soll seit langer Zeit das erste sein, das ich nicht mit Lulle beginne.

Eins ist sicher: Ich werde in den kommenden 40 Tagen richtig übel drauf sein. Legt euch bloß nicht mit mir an! Meine Kollegen sind sicher froh, dass sie mir in dieser Zeit dank Home-Office nicht so häufig über den Weg laufen. Das ist wohl für beide Seiten das Beste. So kann mich mein Kollege zumindest nicht mit seinem Zigarettenrauch, der von draußen wie auf magische Weise bis zu meinem Schreibtisch wandern würde, in den Wahnsinn treiben. Glücklicherweise fallen auch gesellige Abende mit Bier, Fußball und/oder Cocktails aktuell aus. Weniger Versuchungen, die mein Leid zumindest erträglich machen. Da hat der Lockdown wenigstens auch mal was Positives.

Stefanie will zurück zum Genuss

Wenn es darum geht, wer wie viel isst, dann belege ich in solchen Vergleichen meistens den ersten Platz. Denn es gibt wenig, was ich so gerne tu wie Essen. Dazu dann am besten noch eine Flasche Cola und ich bin schon glücklich. Auch bei Besuchen bei meinem Eltern ist die erste Frage: Was gibt es zu Essen? Wem ich also von meinem Plan erzähle, dass ich zehn Tage eine Fastenkur machen werde, sagt jeder, dass ich das nicht schaffen werde. Wieso sollte ich auch freiwillig auf etwas verzichten, was ich so gerne mache? Und gewichtsmäßig nötig hätte ich eine solche Kur auch nicht. Dennoch habe ich den Willen, das einfach mal auszuprobieren und zu sehen, wie mein Körper darauf reagiert. Denn der bewusste Genuss von Essen kommt bei mir - trotz der Leidenschaft - meist zu kurz. Wenn ich Hunger habe, muss es schnell gehen. Manchmal fühle ich mich dabei selbst wie bei einer Raubtierfütterung, und hungrige Tiger sollte man nicht warten lassen. Also wage ich mich an den Selbstversuch des Heilfastens . Zehn Tage fahre ich meine Kalorienzufuhr stark runter. Neben ausgewählten Gerichten, die ich in minimalsten Portionen kochen werde, sind nur Wasser, ungesüßter Tee, Brühe und eine Mixtur aus Kartoffel-, Brennnessel- und Artischockensaft erlaubt. Als ich mir die Portionsgrößen der einzelnen Rezepte angeschaut habe, musste ich lachen. Das, was ich da auf den Tag verteilt esse, ist normalerweise eine einzige Mahlzeit bei mir. Und ähnlich wie meine Kollegin Sandra hoffe ich, dass mir alle Menschen in meinem Umfeld die schlechte Laune verzeihen werden. Aber gegenseitig werden wir uns unterstützen, denn geteiltes Leid ist bekanntlich nur halbes.