Krankenkasse doppelt bezahlen?
Autor: Andreas Lösch
Kirchaich, Mittwoch, 20. April 2016
Herbert Graser soll Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung auf seine Rente und zusätzlich auf seinen Nebenerwerb als Landwirt entrichten. Beides erhält die Landwirtschaftliche Krankenkasse. Der Kirchaicher zieht vor Gericht.
Andreas Lösch
Er findet es so irrwitzig, dass er schon darüber lachen muss. Herbert Graser rechnet es vor: Von seiner Brutto-Rente in Höhe von 1013,65 Euro werden monatlich 103,90 Euro abgezogen. 83,12 Euro davon sind Grasers Beitragsanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die übrigen 20,78 Euro gehen an die Pflegeversicherung, die an die gesetzliche Krankenversicherung gekoppelt ist. Somit erhält Graser eine monatliche Netto-Rente in Höhe von 909,75 Euro von der Deutschen Rentenversicherung. Soweit so gut, sagt der 65-jährige Kirchaicher.
Fast 2600 Euro noch zu bezahlen
Nun aber ist es so, dass der Rentner zusätzliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bezahlen soll. 156,92 Euro monatlich. So verlangt es die Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) von ihm. Bei der ist Graser seit Rentenbeginn als Landwirt im Nebenerwerb pflichtversichert.
Beziehungsweise: Er war es. Denn mittlerweile hat er seinen landwirtschaftlichen Betrieb an seinen Sohn überschrieben, um weiteren Forderungen der LKK zu entgehen. Aber die LKK will aus den Jahren 2014 und 2015 noch rückständige Beiträge in Höhe von insgesamt 2562 Euro (inklusive Säumniszuschläge und Ähnlichem) von dem Kirchaicher haben.
Versicherungspflicht
Eine Frechheit, so empfindet es Graser, denn: Die LKK habe ja als Teil der gesetzlichen Krankenversicherung bereits jene Beiträge erhalten, die er über die normale Monatsrente abführt (also eingangs erwähnte 103,90 Euro). Als Angestellter sei er rund 40 Jahre bei der AOK versichert gewesen, im Nebengewerbe kümmerte er sich damals auch bereits um seinen landwirtschaftlichen Betrieb.
Da er als Angestellter ein höheres Einkommen erzielte als aus der Landwirtschaft, war die Versicherungspflicht bei der LKK nicht vorrangig. Nachdem er aber keinen Beruf mehr ausübte, sondern nur noch als Landwirt tätig war (also seit Rentenbeginn), griff die Versicherungspflicht bei der LKK.
Betriebsfläche als Grundlage
Aber dass er damit quasi doppelt bezahlt, wie ist das zu rechtfertigen? Die LKK selbst verweist auf das Gesetz. Es ist nach Angaben von Pressesprecherin Martina Opfermann-Kersten rechtlich so geregelt. Die Rente "ist ja eine Einkommensquelle", erklärt sie. Da sei es gesetzlich vorgesehen, dass Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abgeführt werden. Diesen Beitrag bekommt die Kasse, bei der der Betroffene versichert ist.
Weil Graser auch als Rentner Landwirt im Nebenerwerb blieb, war er ab Rentenbeginn bei der LKK pflichtversichert (Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte, KVLG 1989). Dass die LKK nun weitere Beiträge erhebt, hängt mit der Fläche zusammen, die ein Landwirt bewirtschaftet: Nach deren Größe berechnet sich die zusätzliche Summe, die für Kranken- und Pflegeversicherung fällig wird. Und zwar unabhängig davon, welches Einkommen er mit dieser Fläche erwirtschaftet. Das sei keine doppelte Abrechnung, sondern gesetzlich so geregelt, sagt Opfermann-Kersten. Verständnis für Grasers Anliegen äußerte sie dennoch. Er sei in eine ungünstige Situation geraten, die allerdings nicht häufig vorkomme. Das sei wohl auch der Grund, warum sich rechtlich an der Sachlage bislang nichts geändert hat.
Über den Sinn und Unsinn dieser Regelung könne man streiten, aber "wir haben die Gesetze nicht gemacht. Das hat sich unsere Verwaltung nicht ausgedacht", sagt sie. Um sich Recht zu verschaffen, müsste Graser also eine Gesetzänderung erwirken, was Opfermann-Kersten für äußerst schwierig hält. Für Herbert Graser ist das unverständlich. "Ich bin nicht frei in meiner Krankenversicherungswahl", sagt er. Der Versicherung gehe es schlicht ums Geld, er wolle sich dieses aber nicht zwei Mal aus der Tasche ziehen lassen, erklärt der Rentner. "Dann hätte ich ja quasi doppelt gezahlt", sagt er. "Eigentlich möchte ich ein Grundsatzurteil erreichen. Es ist ja nicht gerecht."
Für das Ziel will der Kirchaicher alles geben. Vor dem Sozialgericht des Regierungsbezirks Unterfranken in Würzburg kam er nicht weiter, also zog er vor das Landessozialgericht. In der Zweigstelle Schweinfurt kam es dieser Tage zu einer Verhandlung. Aber auch hier hatte Graser keinen Erfolg.
Eigentlich wollte er für sein Recht der freien Wahl einer Krankenkasse streiten. "Es ist eine Diskriminierung mir als Rentner gegenüber", sagte Graser zu der Tatsache, dass er gezwungen sei, sich bei der LKK zu versichern.
Hermann-Rudolf Rüschen, Vorsitzender Richter am Baye-rischen Landesgericht und Leiter der Zweigstelle Schweinfurt, verwies auf die gesetzlichen Regelungen. Es gebe zu solchen Fällen schon Urteile vom Bundessozialgericht, "die über uns stehen. Die sagen, das ist zumutbar". Außerdem ging es bei der Verhandlung jetzt um weniger, als Herbert Graser lieb war: Lediglich über zwei Beitragsbescheide in Höhe von etwas über 300 Euro entschied der Senat in Schweinfurt. Dies war der Betrag, um den es bei der vorangegangenen Verhandlung vom 22. Juni 2015 am Sozialgericht Würzburg ging. Das Gericht hatte damals entschieden, dass die Forderungen der LKK rechtens seien. In zweiter Instanz in Schweinfurt bekam erneut die Krankenkasse Recht: Sie hatte als Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsentscheid vom 22. Juni zurückzuweisen. Einen Vergleich, zu dem die LKK bereit gewesen wäre und der auch vom Gericht forciert wurde, lehnte Graser ab.