Druckartikel: Kleiner Hund ganz groß

Kleiner Hund ganz groß


Autor: Michael Busch

Herzogenaurach, Donnerstag, 17. Juli 2014

Ausbildung  Caruso möchte als Mantrailer arbeiten. Das ist ein spezieller Suchhund. Doch bevor es auf einen Einsatz geht, wird eine strenge Ausbildung absolviert. In Herzogenaurach folgten wir Carusos Spur.
Wenn Caruso den Geruch aufgenommen hat, geht es nur noch darum, zusammen mit Elke Hartmann den Vermissten zu finden.  Fotos: Michael Busch


von unserem Redaktionsmitglied 
Michael Busch

Herzogenaurach — Es ist ganz einfach erklärt, was der Rauhaardackel Caruso kann: Schicken Sie doch einmal ein Familienmitglied aus dem Haus und sagen Sie diesem, es soll sich drei bis vier Straßen entfernt irgendwo verstecken. Dann konzentrieren Sie sich und versuchen, den "Verschwundenen" nur durch Riechen wiederzufinden.
Geht nicht? Zugegeben, der Mensch ist dafür tatsächlich nicht geeignet. Caruso kann über diese menschliche Unfähigkeit nur schmunzeln. Denn diese Fähigkeit macht ihn selbst in der Hundewelt zu etwas Besonderem.

Neugier ist wichtig

Carusos Besitzer, Elke und Norbert Hartmann, haben schnell entdeckt, dass ihr Hund etwas Besonderes ist. Also nicht nur ein Tier, das dafür sorgt, sich ab und zu an der frischen Luft zu bewegen oder nachts unter der Bettdecke ein lebendiges Wärmekissen für kalte Füße zu haben. Nachdem sie Caruso bei einem Züchter aus der Nähe von Erfurt erworben haben, war schnell klar: Der ist so neugierig und verspielt, hat so viel Power, dass man dem Hund etwas Vernünftiges beibringen kann.
Elke Hartmann erklärt: "Ich bin beim Bayerischen Roten Kreuz und habe dort die Hundetruppe immer mal beobachtet. Das gefiel mir und offensichtlich auch unserem neuen Familienmitglied." Die Wesensprüfung absolvierte der Vierbeiner ganz nebenbei, unproblematisch. Dann ging es um die Frage, ob er als Suchhund geeignet sei. "Ein Kaninchen gesehen und weg war Caruso", erzählt Elke Hartmann von dem scheinbaren Ende einer tollen Karriere.
Es bot sich aber eine andere Möglichkeit: "Versuchen Sie es mal mit ihm als Mantrailer." Denn da gibt es einen entscheidenden Unterschied zum "normalen" Suchhund. Die Mantrailer können bei der Suche verschiedene menschliche Gerüche voneinander unterscheiden. Trotz vieler Verleitungen orientieren sie sich ausschließlich an den Geruchsmerkmalen der gesuchten Person. Und was für Elke Hartmann wichtig war: "Der Hund bleibt ununterbrochen an der Leine."
Ein Ausbüxen ist damit nicht möglich, auf der anderen Seite war klar, dass nun nicht nur Caruso ausgebildet werden würde. Frauchen und Dackel sind ein Team und müssen sich blind verstehen lernen.

Jeder sucht Norbert

Durch persönliche Kontakte war dann auch schnell die Truppe gefunden, die bereit war, Caruso mit in das Ausbildungsprogramm aufzunehmen. Die Bereitschaft "Höchstadt-Hund" unter der Leitung der Trainerin Sabine Schmidt nahm die beiden auf, um mit der Ausbildung zu starten. Viel praktischer Unterricht, aber auch Theorie, zumindest für den menschlichen Teil des Duos.
Nicht außen vor blieb Norbert Hartmann, Herrchen von Caruso. Allerdings nicht als Teil des Suchgespanns, "da der Hund auf einen fixiert sein soll", wie Elke Hartmann erklärt. Ihr Mann übernahm die Rolle des zu Suchenden. Nicht nur für Caruso begibt er sich in die Opferrolle, auch die anderen Hunde suchen nach ihm.
In Herzogenaurach stand genau so eine Trainingseinheit in dieser Woche an. Norbert Hartmann sagt, dass er sich nun auf den Weg macht. "Ich gehe quer durch die Stadt, schlage Haken und laufe querbeet." Eine weitere Begleitperson, in diesem Falle Holger Schmidt, begleitet Hartmann. Der dient dann als Coach, falls das Suchteam wirklich mal völlig die Spur verlässt.
Für Caruso schlägt nun die Stunde der Wahrheit. Er bekommt einen "Geruchsträger" vor die Nase gehalten, um zu wissen, an welcher Spur er sich nun zu orientieren hat. Sabine Schmidt erklärt: "Andere Suchhunde laufen ohne Leine über das Gebiet, in dem gesucht werden soll. Sie schlagen an, sobald sie - je nach Ausbildung - einen liegenden oder sitzenden Menschen finden."
Caruso schnuppert nur kurz und beginnt einen regelrechten Hoppellauf. Zuschauer sehen ihm die Freude an seiner Arbeit an. Für den Menschen unsichtbar (und geruchsfrei) hält sich Caruso an eine für ihn deutlich erkennbare Spur. Das ist nicht einfach. Denn im Grunde orientiert sich der Hund an einem Abfallprodukt von Bakterien. Der Mensch verliert Hautschuppen, einige Tausende pro Minute. Diese werden im engsten Sinne des Wortes in alle Winde verstreut. Bakterien zersetzen diese Zellen, es entsteht der für jeden Menschen einzigartige Geruch, dem der Hund folgt.

Nach der Prüfung geht es los

Dennoch gibt es Stellen, an denen auch der beste Mantrailer verzweifeln könnte. "Die Frau hat etwas zu Essen in der Hand", stöhnt Elke Hartmann auf, als sich Caruso etwas mehr für das junge Mädchen auf der Bank denn für das verlorene Herrchen interessiert. Doch Disziplin und der Hinweis "Such!" bringen den Dackel wieder auf die richtige Fährte.
Eine Rolle spielen weiterhin der Wind oder naheliegende Gewässer, die Bewegung in die Luft bringen und so die Geruchsmoleküle extrem verwirbeln. "Wir sind durch die Stadt gelaufen", verrät Holger Schmidt. Caruso bewegt sich aber parallel zur Ursprungsspur entlang der Aurach. "Das ist nicht schlimm, denn diese Verlagerung ist durch den Fluss gegeben. Wichtig ist es, dass Caruso wieder die Abzweigung findet, wo es zurück zum Opfer geht", sagt der Coach.
Bei der Prüfung wäre das im Normalfall auch in Ordnung. Ausbilderin Sabine Schmidt erklärt, dass die Prüfer erkennen müssen, dass der Hund sucht und nicht per Glücksprinzip durch die Gegend rennt. Caruso zeigt, dass er die richtige Nase hat. An richtiger Stelle biegt er ab, bewegt sich auf den Post-Kreisl zu und findet sein Herrchen wieder. "Feiner Hund", Streicheleinheiten und selbstverständlich die Belohnung zeigen Caruso, dass er etwas Besonderes geleistet hat. Ansporn für kommende Suchaktionen.

Es ist ein Ehrenamt

Der zweijährige Caruso ist aber aus einem weiteren Grund etwas Besonderes. Typische Hunde solcher Rettungseinheiten sind der Bloodhound oder Schweißhunde. Etabliert haben sich Rassen wie der Labrador Retriever und Golden Retriever. Dackel tauchen eher selten auf. "Es gibt aber keinen Ausschluss wegen der Rasse", sagt Sabine Schmidt. "Wenn die Eignung da ist, wird ein Hund ausgebildet."
Caruso erwartet nach der Ausbildung dann einiges an Einsätzen. Über 50 Mal ging es im vergangenen Jahr für die Truppe raus. "Meistens nachts", wie Schmidt erklärt. Denn da merken die Einsatzkräfte bei vergeblicher Suche nach einem Vermissten, dass die hereinbrechende Nacht neue Schwierigkeiten bereitet. "Uns wäre es natürlich lieb, so früh wie möglich in einen Einsatz eingebunden zu werden. Wenn die Spuren frisch sind, fällt die Suche einem Hund deutlich einfacher", erzählt die Ausbilderin.
Denn die menschlichen Zellen bleiben über unterschiedlich lange Zeiträume erhalten: Hautzellen etwa 36 Stunden, rote Blutkörperchen dagegen etwa 120 Tage. Das allein begrenzt schon die Haltbarkeit einer Duftspur.
Doch bis es so weit ist, muss Caruso noch kräftig trainieren. Dreimal darf er zur Prüfung antreten, um mit seinen Fähigkeiten die Prüfer zu überzeugen. Elke und Norbert Hartmann sind optimistisch, dass ihr Caruso es schafft. Sie sind sich auch sicher, dass sie dann bei Einsätzen dabei sind. "Unser Dackel ist nämlich ein ganz Großer!" Wer will das bezweifeln?
Übrigens und am Rande erwähnt: Die Arbeit dieser Einheit ist komplett ehrenamtlich. Da gibt es keinen Ausfall, wenn es nachts rausgeht, um Menschen zu suchen. Ausrüstung, Transportkäfige in den Autos, Einsatzkleidung - das wird (bis auf die Hose) selbst angeschafft.