Man kann den Kissinger Sommer ja nicht einfach in den Herbst verschieben.
Richtig. Das wäre auch von der Raumkapazität her ein großes Problem.
Die Künstler haben dann auch andere Termine, und der nächste Sommer ist vermutlich auch schon fertig?
Der nächste Sommer ist fertig geplant. Die einzige Sache, die wir eventuell verschieben könnten, ist das Projekt des Kissinger Zukunftslabors mit der "Fidelio"-Oper. Wir haben für 2021 das Education-Projekt noch nicht festgelegt, und es könnte sein, dass jetzt auch wegen der gedrängten Schullehrpläne die Schüler gar nicht mehr die Zeit haben, sinnvoll am "Fidelio" zu arbeiten. In dem Fall würden wir tatsächlich schauen, dass wir "Fidelio" verlegen. Aber noch bin ich optimistisch, dass wir das stattfinden lassen können.
Bis wann muss denn definitiv feststehen, dass der Kissinger Sommer wie geplant stattfinden kann?
Ich denke, wir werden so etwa vier Wochen Vorlaufzeit brauchen, auch, damit die Künstler ihre Reiseplanung vernünftig geregelt kriegen. Aber selbst wenn es noch kurzfristiger sein sollte, werden wir natürlich versuchen, alles möglich zu machen, dass die Konzerte wie geplant stattfinden können. Im Moment haben einige Künstler natürlich ihre Reisen storniert. Aber ich hoffe dann einfach, dass nach einer definitive Entscheidung die Logistikprofis in den Agenturen schnell reagieren und Buchungen erneuern.
Die Künstler sitzen ja auch auf dem Trockenen. Nicht alle haben ausreichende Rücklagen, auch die ganz Großen nicht.
Richtig. Für viele Künstler ist das auch eine existenzielle Frage. Es gibt natürlich immer die Topstars, für die es nicht so darauf ankommt. Aber dann gibt es die große Masse der Künstler, die auf diese Einnahmen angewiesen sind. Da geht es jetzt nicht um den Kissinger Sommer allein. Wenn auf breiter Front alle Festivals, alle Veranstalter eine Absage schicken, dann bricht natürlich ein großer Teil des Jahreseinkommens für die Künstler weg. Das trifft fast jeden sehr, sehr hart.
Wie ist denn die Bereitschaft des Stadtrates und des Ex-Oberbürgermeisters in spe, bei einer solchen Planung mitzuziehen?
Ich kann es so formulieren: Das ist jetzt im Moment eine Idee von mir. Ich würde sehr gerne die Präsenz des Kissinger Sommers im Sommer aufrecht erhalten, egal, was passiert, egal, ob wir vor Publikum spielen dürfen oder nicht. Und nach all dem, was ich gehört habe, gibt es auch ein großes Bedürfnis nach Streaming-Angeboten. Ich glaube, das wäre der richtige Schritt für uns als Kissinger Sommer, aber das ist im Moment nur ein Vorschlag von mir. Als Intendant bin ich verpflichtet, inhaltliche Impulse zu geben. Ich habe das noch nicht mit der Stadt abgestimmt. Das wäre dann der nächste Schritt.
Allerdings habe ich unverbindlich bei potenziellen Partnern und Sponsoren vorgefühlt. Das heißt: Der BR wäre bereit, da mitzuziehen, würde höchstwahrscheinlich - und auch da gibt es natürlich noch keine schriftliche Zusage - Videomitschnitte der Konzerte anfertigen und streamen.
Was wäre denn, wenn der Kissinger Sommer ganz ausfällt?
Wenn es tatsächlich im Sommer überhaupt nichts gäbe, dann wäre es eine sehr tote Zeit für Bad Kissingen, und die Wiederbelebung wäre extrem schwierig. Und wir müssen natürlich um unsere Kunden kämpfen. Es wäre für Bad Kissingen als touristischen Standort sehr entscheidend, dass dieses Leuchtturm-Festival in irgendeiner Form wenigstens rudimentär stattfinden kann und dass man nach draußen zeigt: Wir sind da, wir tun was, wir sind präsent im Sommer.
Allein schon, um die Marke "Kissinger Sommer" zu erhalten?
Richtig. Es ist wichtig, dass wir Präsenz zeigen, dass wir unseren Kunden Angebote machen. Auch die Zeitungsbeilage in der "Zeit", deren Erscheinungstermin bereits gebucht ist - eine Werbemaßnahme, die wir also durchführen müssen - kann man gezielt umwidmen, indem man auf unsere Streaming-Angebote hinweist und gleichzeitig schon für den Kissinger Sommer 2021 wirbt. Da gibt es einige Möglichkeiten, um aus der Krise auch wieder etwas Positives zu machen
Bilder eines Orchesters, das vor der Geisterkulisse eines leeren Konzertsaals spielt, haben ja auch einen hohen Aufmerksamkeitswert.
Wir müssen optimistisch sein und das nach außen zeigen. Wenn wir Videostreaming machen und ausgewählte Konzerte über den BR und unsere Seite publizieren, haben wir, glaube ich, sehr gut die Möglichkeit, wirkungsvoll unseren tollen Saal zu präsentieren. Im Gegensatz zu Audio-Mitschnitten verschafft uns die professionelle Videotechnik diese Möglichkeit. Das ist vielleicht die einzige Chance, die uns diese Corona-Katastrophe gibt.
Was passiert mit den schon gekauften Karten, wenn der Kissinger Sommer abgesagt werden muss?
Wenn wir nach einem behördliches Verbot das Festival absagen müssen, dann können die Kunden die Karten zurückgeben und bekommen ihr Geld wieder, oder es gibt eine Gutscheinlösung. Wir würden uns natürlich freuen, wenn uns der eine oder andere Kunde auch das Ticket sozusagen spendet. Ich gehe davon aus, dass wir dann, wie allgemein üblich, eine Spendenbescheinigung ausstellen können. Das machen andere Veranstalter auch so. Das Ganze kann man natürlich auch an gewisse Angebote koppeln, an Werbemaßnahmen, um uns die Kunden zu erhalten. Man könnte zum Beispiel überlegen, ob man Kunden, die ihr bereits erworbenes Ticket spenden, sozusagen als Ehrenmitglied kostenfrei mit allen Vergünstigungen für ein Jahr in den Förderverein Kissinger Sommer aufnimmt und so die Bindung an die Kunden aufrechterhält - und ähnliche Dinge. Ich wäre sehr dafür, wenn man aus dieser Krise, wenn möglich, etwas Positives macht.
Wie sieht das finanzielle Risiko für die Stadt aus? Gibt es Möglichkeiten für Sie als Veranstalter, aus den bereits geschlossenen Verträgen wieder herauszukommen?
Wenn es ein behördliches Verbot gibt, dass keine Veranstaltungen stattfinden dürfen, dann ist das im juristischen Sinn höhere Gewalt, und dann kommen wir aus den Künstlerverträgen ganz normal raus. Es gibt einen Passus in den Verträgen, der das regelt, dass jeder seine bis dahin entstandenen Kosten selbst trägt.
Wenn relativ knapp entschieden wird, dass das Festival stattfinden kann, reicht dann die Zeit noch, um die Besucher zu informieren und in die Stadt zu holen?
Das denke ich schon, aber natürlich ist uns auf jeden Fall geholfen, wenn die Entscheidung frühzeitig getroffen wird. Es ist mir allerdings auch klar, dass eine frühzeitige Entscheidung Risiken birgt. Ich verstehe, dass die politischen Entscheider einem immensen Druck ausgesetzt sind.
Die Künstler jedenfalls möchten spielen. Sie haben ja auch den Termin reserviert. Die Kunden, die Tickets gebucht haben, gehen bislang auch davon aus, dass es stattfindet.
Klar, ich würde dann irgendwann gerne ein Signal geben, dass das tatsächlich so ist. Aber ich glaube: Selbst kurzfristig wäre ein stattfindendes Festival viel besser als ein nicht stattfindendes, schon im Interesse der Hoteliers, Einzelhändler und der Bürger, die sich alle nach Normalität sehnen.
Das Konzert von Khatia Buniatishvili am 8. Mai, ist das noch auf dem Schirm oder nicht?
Auch da gibt es noch keine Info, und auch das sagen wir erst ab, wenn wir tatsächlich die offizielle Entscheidung haben. Es ist klar, dass das Konzert von allen am gefährdetsten ist, und ich habe bei der Agentur von Khatia Buniatishvili vorsichtig vorgefühlt, ob wir eine Chance haben, es vielleicht doch auf einen anderen Termin zu verlegen. Da müsste man dann im Ernstfall schauen, wie man das gestaltet.
Das Gespräch führte Thomas Ahnert