Druckartikel: Keine "tollen Tage" im Kriegswinter 1915

Keine "tollen Tage" im Kriegswinter 1915


Autor: Manfred Welker

Herzogenaurach, Mittwoch, 06. August 2014

Serie Erster Weltkrieg (3)   Die Kriegsbegeisterung hält auch nach dem Jahreswechsel an, obwohl die Zahl der Gefallenen stetig steigt.
Betende in Hannberg bei Betstunde von Rudolf Schiestl 13. Mai 1915


von unserem Mitarbeiter MAnfred Welker

Herzogenaurach — 1915 war die Begeisterung für den Krieg noch nicht abgeklungen. Ursula Ploner, verheiratete Sieber, erinnerte sich daran, dass sie als 13-Jährige am Geburtstag des Kaisers am 27. Januar von der Treppe zur Marienkapelle ein Lobgedicht vortragen durfte:
"Dem Kaiser Heil, ein Jubelsang tönt heut' durch Deutschlands Gauen.
Dem Kaiser Heil, so schallt's entlang den Fronten der Feldgrauen.
[...]
Dem Kaiser, der groß im Bemüh'n zu wahrem Völkerfrieden,
zwang Neid und Haß das Schwert zu zieh'n, die wider Deutschland glühten.
Sein Friedenswerk hat Niedertracht und Scheelsuch jäh zu Fall gebracht.
Des Franzmanns Groll, der Briten Neid, sie fanden sich zusammen;
Sie schufen nie gewes'nes Leid, der Erdkreis steht in Flammen."

Pfarrer Müller war ebenfalls aufgeregt in diesen ersten Tagen des Jahrs 1915. "Die Begeisterung drückt mir heute die Feder in die Hand. Nach Anordnung der Hochw. Bischöfe Deutschlands wurde am 7., 8. u. 9. Januar zur Sühne und zur Erflehung eines baldigen Friedens ein Triduum gehalten", notierte Müller. Diese Anregung fiel auf fruchtbaren Boden und die Kriegsandachten wurden gut besucht.

Mit Kerzen in der Hand

Pfarrer Müller saß selbst zehn Stunden im Beichtstuhl. Am 10. Januar 1915 war der Abschluss des Triduums mit Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu. Daran nahmen weiß gekleidete Mädchen und Verwundete aus dem Vereinslazarett teil, die Kerzen in den Händen hielten.
Zur Fastnacht wurden Vergnügungen völlig eingestellt. Die tollen Tage waren nicht zu bemerken.
"Weihnachtspakete kommen immer noch als unbestellbar aus dem Felde ans Pfarramt zurück teilweise verdorben, teilweise ausgeraubt", notierte Pfarrer Müller.

Noch mehr Einberufungen

638 Firmlinge erhielten am 7. Juni 1915 die Firmung. "Der Kapitelsvorstand zeigte sich zum Ersten Mal mit der neuen kirchlichen Chorkleidung mit dem sogenannten Beff. (Unschön!)", schreibt der Geistliche und außerdem: "Einberufungen gehen fort - leider!"
Auch Lehrer wurden einberufen, aber der Schulbetrieb konnte noch aufrechterhalten werden. Viermal zwei Klassen wurden zusammengelegt. Eine Klasse hatte 129 Kinder, eine andere 121. Die kleinen Schulzimmer waren natürlich überfüllt. Die Lehrkräfte hatten viel Arbeit, für die Lehrerinnen war es fast zu viel.
Da aus dem Felde immer mehr Todesnachrichten kamen, handelte Pfarrer Müller: "Eine Kriegergedächtnistafel (provisorisch) ließ ich in der Kirche anbringen. Man schimpfte, weil sie so groß ist, und sagte: Der Pfarrer hat es gut vor, der will, daß recht viel fallen. Der Pfarrer: Gott gebe, daß recht wenige fallen und daß die Friedensengel, die unten angebracht werden sollen, recht groß ausfüllen können!"

Vier Kinder werden Waisen

Einer der Gefallenen des Jahres 1915 war Paul Welker. Er kam am 12. April 1880 in Herzogenaurach als Sohn des Metzgermeisters und Landwirts Franz Matthias Welker und seiner Ehefrau Anna zur Welt. Nach seiner Lehre als Metzger und der aktiven Dienstpflicht beim Infanterie-Leib-Regiment in München von 1900 bis 1902, heiratete er im Jahr 1905 Margaretha Feuerlein. Aus der Ehe entsprossen vier Kinder. Im Anwesen Hauptstraße 39 betrieb Paul Welker eine Metzgerei.
Bei Kriegsausbruch, also mitten in der Erntezeit, mussten zunächst die beiden Pferde ans Militär abgegeben werden, am 3. Mobilmachungstag wurde der Knecht zu den Waffen einberufen. Am fünften Mobilmachungstag, 6. August 1914, wurde Paul Welker selbst zu seiner Truppe nach München einberufen. Erst am 8. Oktober 1914 gelangte er mit 30 Ersatzleuten an die Westfront zur 3. Kompanie des 2. Reserve-Regimentes der 1. Reserve-Division.

Tapferkeitsorden

Das Regiment lag bei Arras. Mit drei Kameraden erstürmte er eine Mühle und erhielt dafür am 25. November das bayerische Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit Schwertern. Gemeinsam mit einem Kameraden überlebte er einen Artillerie-Volltreffer in einem Keller. Die beiden waren die letzten Überlebenden der ehemals 30 Reservisten.
Die Schlacht bei Ypern gegen Ende April 1915, in der die Engländer 15 000 Tote, die Deutschen 8000 Tote zu verzeichnen hatten, ging ihm tief zu Herzen. "Da möchte einem das Herz zerspringen, in einer Schlacht 23 000 Tote! Weißt Du, wie es geht? Heute rot und morgen tot", schrieb er in seinem letzten Brief in die Heimat.
Am 5. Mai ging die Kompanie wieder zwischen Arras und der Lorettohöhe in Stellung. Dort begann am 10. und 11. Mai auf der ganzen Linie Arras-Armentiers eine große Offensive als Reaktion auf die deutschen Erfolge in Galizien.

Erschossen

Vier frische Armeekorps der Franzosen und Engländer sowie Kolonialtruppen waren zum Sturm eingesetzt. Bei Beginn dieses Vorstoßes fiel Paul Welker am 9. Mai 1915 abends durch einen Granatsplitter in der Brust, so die amtliche Mitteilung.
Ein Kamerad berichtete indes, eine Kugel sei ihm mitten durch das Herz gegangen und habe ihn auf der Stelle getötet. Sanitäter begruben Welker im Soldatenfriedhof nahe der Chaussée Arras-Bailleul, zwei Kilometer südwestlich von Bailleul.
"Die Arbeitsleistung der Daheimgebliebenen verdienen lobende Erwähnung. Die Frauen leisten Arbeiten, die früher nur Männer verrichteten. Die alten Leute schaffen wieder mit. Gar manche sterben mit der Sichel in der Hand." Auch an Sonn- und Feiertagen durften nun notwendige Arbeiten verrichtet werden.
Die Nahrungspreise stiegen in Herzogenaurach natürlich wie überall. Die Bewohner äußerten die Hoffnung, dass den Feinden das Aushungern nicht gelingen würde. Das Hostienmehl für Herzogenaurach durfte nicht mehr von Stadtmüller Thaler, sondern nur noch von der Dusch-Mühle in Bamberg bezogen werden.

25 Herzogenauracher starben

Es fanden Sammlungen von Gold statt. Der Zusammenhalt der Bürger wurde stärker. "Gar manche Frauen ersparen sich noch etwas von der kleinen Unterstützung, um dem Manne Liebespakete zu schicken. " 1915 fielen aus der Pfarrei Herzogenaurach 25 Soldaten.