Mitglieder bei "Uferlos" sind froh, dass sie kaum mehr Anfeindungen ausgesetzt sind. Entsprechend geht es bei der Vereinsarbeit meist um gemeinsame Unternehmungen. Doch problemlos lebt es sich als Homosexueller noch immer nicht.
Markus Klein Gespräche über Fasching, den nächsten gemeinsamen Urlaub, witzige Geschichten über Bekannte, Speisekarten-Tipps, glückseliges Zuprosten: Die 15 Männer um die drei zusammengeschobenen Kneipentische im "Ölkännla" könnte man für einen Kegel- oder Fußballverein halten. Wobei die Fahne in der Mitte des Tischs keine Vereinsfarben zieren, sondern die des Regenbogens. Und: "Für Fußball interessiert sich keiner von uns. Höchstens für die Spieler", sagt Bernd Maier. "An manchen Klischees ist dann doch ein bisschen was dran." Maier, heute in Jeans und T-Shirt, sah kurz nach seinem Coming-out auffälliger aus. "Da bin ich in richtig tuntigen Outfits weggegangen", erzählt er. "Ich hab die Homosexualität so lange unterdrückt, da war das wie ein Befreiungsschlag. Das habe ich einfach gebraucht."
Heile Welt?
Ein Befreiungsschlag ging auch durch die Gesellschaft, allerdings sehr langsam. "Wir sind mittlerweile fast gleichberechtigt", sagt Martin Claas, Vorsitzender des Vereins "Uferlos", der sich seit 40 Jahren für die Belange der lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Menschen (LGBT) in Bamberg einsetzt. Der Auftrag des Vereins hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. "Früher stand die politische Arbeit im Vordergrund, der Kampf für die Gleichberechtigung", erzählt Claas. "Damals musste man sich auch noch auf öffentlichen Toiletten treffen - nicht unbedingt der optimale Rahmen", ergänzt Vereinsmitglied Stefan Zern. "Da hat es die Generation, die nachkommt, zum Glück leichter. Gerade in den letzten fünf Jahren hat sich viel getan. Wenn ich heutzutage einen politischen Diskussionsabend organisiere, kommt keiner."
Stattdessen konzentrieren sich Vorstand und Mitglieder vor allem auf die gemeinsame Freizeitgestaltung: Urlaube, Bowlingturniere, Städtereisen, Kontaktpflege zu den Vereinen der Nachbarstädte, Partys und Kneipenabende wie diesen. Der Verein arbeitet auch mit der Stadt Bamberg zusammen. Zum diesjährigen Vereinsjubiläum empfängt der Dritte Bürgermeister Wolfgang Metzner die "Uferlos"-Mitglieder im Rathaus. "Das Stadtmarketing kam auf uns zu und hat gefragt, ob wir nicht einen Faschingswagen machen wollen", erzählt Claas. Das tut der Verein dann auch seit dem vergangenen Jahr - und er organisiert die Aftershow-Party. Auch mit der Kirche läuft es inzwischen etwas besser: "Uferlos" feiert jährlich ein Sommerfest am Michelsberg. "Da hatte ich mal ein klärendes Gespräch mit der Stiftung, mittlerweile ist die Zusammenarbeit gut", sagt Claas. Eine heile Welt also?
Nein. Klärende Gespräche muss Claas immer wieder führen. Oft müsse er sich etwa mit der katholischen Kirche auseinandersetzen. Zum Beispiel sprach Claas einmal den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick auf dem Neujahresempfang der Stadt an, nachdem Schick sich zuvor öffentlich abwertend gegenüber Homosexuellen geäußert hätte. Schick habe abgewiegelt, die Presse hätte seine Aussage falsch dargestellt. "Ich habe ihm angeboten, das mit mir zusammen klarzustellen. Aber das wollte er dann auch nicht", erzählt Claas.
"Und erst vor kurzem musste ich bei dem Kommentar von Kardinal Brandmüller wieder mit dem Kopf schütteln." Walter Brandmüller hatte behauptet, am Missbrauch in der katholischen Kirche seien Homosexuelle schuld. "Ich war so froh, als ich endlich 18 Jahre alt war. An meinem Geburtstag bin ich aus der Kirche ausgetreten", sagt Claas. "Warum soll ich auch Leute bezahlen, die mich nicht akzeptieren?"
Claas geht sehr offen mit seiner Homosexualität um, schreibt etwa auch in Bewerbungen, dass er Vorsitzender von "Uferlos" ist. Probleme hatte er deswegen nie. "Ich arbeite in einem Kindergarten, von einem kirchlichen Träger, da käme das nicht so gut", sagt hingegen Maier. "Aber man muss das ja auch nicht an die große Glocke hängen."
Am Tisch sitzen fast nur Pärchen, Küsse und andere Liebkosungen sieht man nicht. "Wir wollen nicht auffallen", sagt Zern. Liegt das an den anderen oder einfach daran, dass Franken generell zurückhaltender sind? "Wir wurden so erzogen", sagt Maier, "das macht man hier einfach nicht." Die wenigsten wollen auffallen, deshalb sind in diesem Artikel auch alle Namen bis auf den von Claas geändert.