Druckartikel: Kann man mit Literatur Geld machen?

Kann man mit Literatur Geld machen?


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Freitag, 02. März 2018

Peter Stamm hielt am Lichtenfelser Meranier-Gymnasium eine Lesung und beantwortete Fragen der Schüler.
Wird gewiss nicht nur bei seinen Interviewern Stefan Zapf und Maria Süppel als zugänglicher und offener Antwortgeber in Erinnerung bleiben: Peter Stamm (Mitte). Foto: Markus Häggberg


Literaturpreise hat er erhalten. Sein Roman "Agnes" wurde sogar verfilmt, und Stationen seines Lebens waren Zürich, Paris, New York und Skandinavien. Am Donnerstag reihte sich bei Peter Stamm (55) auch Lichtenfels unter die Stationen ein. Vor 340 Schülern in der Aula des Meranier-Gymnasiums hielt der Mann eine Lesung. Schülerfragen inklusive.
"Wie viel verdienen Sie?", lautete eine ganz praktische Schülerfrage, eine, die sonst eher von Schülern in der Schweiz gestellt würde. Nein, Millionen seien im Literaturbetrieb nicht zu machen. Das mochte vielleicht noch Hemingway gelingen, einem ausgewiesenen Vorbild Stamms. Aber eigentlich, so der Schweizer, habe er keine literarischen Vorbilder, sondern eher Vorlieben. Und was das Geldverdienen anbelange, so zehn bis zwölf Prozent Anteil pro verkauftes Buch sowie Entgelte bei Lesungen.


28 Autoren von Ruf waren da

Dass das mit seinem Kommen geklappt hat, dafür zeichneten die Fachschaft Deutsch und der Förderverein des Gymnasiums verantwortlich. Damit wird am Lichtenfelser Gymnasium eine Tradition befeuert, die nun schon 28 Autoren von nationalem und internationalem Ruf herbeilockte. "Günter Grass hat uns einmal sogar zugesagt, musste dann aber krankheitsbedingt absagen", erklärt Direktor Stefan Völker. Auch er anwesend, als Stamm mit Rucksack und Kaffeetasse an Stuhl, Tisch und Mikrofon trat und sich dabei von zwei Schülern flankieren ließ. Maria Süppel und Stefan Zapf, so die Namen der beiden, hatten sich auf ihn vorbereitet, hatten Fragen an ihn bzw. überbrachten ihm die Fragen der Oberstufenschüler.


Freundlich und auskunftswillig

Zapf gab gerne zu, vor dem Aufeinandertreffen mit Stamm etwas Lampenfieber gehabt zu haben. "Aber am End'...wenn man merkt, dass alles gut läuft, ist die Aufregung weggegangen", so der junge Mann. Dass alles gut ging, hatte auch mit dem freundlichen und auskunftswilligen Wesen Stamms zu tun. Oder sollte man sagen, mit dem freundlichen und auskunftswilligen Bild, das er abgab? Das nämlich, so der Schriftsteller im Gymnasium, ist das häufige Thema seiner Arbeiten - das Bild, welches wir uns von Menschen machen und was davon stimmt.
So geht es auch Walter, einer Figur aus seinem Roman "Agnes", bei dem der Leser aufgefordert ist, zwischen Walters Reflektionen zu Agnes und einer möglichen Wahrheit dahinter auszuloten. Denn Agnes ist tot oder zumindest weg, und das hat ja Gründe. So las Stamm, nicht mit aufgewühlter Stimme, eher in der Tonlage eines Protokollanten, aus seinem wohl bekanntesten Buch. Er traf damit auch auf durchaus gut vorbereitete Schüler im Publikum, die dieses Buch kennen, weil sie sich auf diesen Tag und diese Begegnung hin vorbereiteten oder weil eine Auswahl Stamm'scher Bücher auch Eingang in die Schulbibliothek fand.
Ob er bei der Verfilmung seines Buches Einfluss auf das Drehbuch hatte, wie er dazu steht, dass die Handlung von Amerika nach Deutschland verlegt wurde und wie lange er an einem Buch generell so arbeite, waren an Stamm gerichtete Fragen. Die Antworten des Mannes waren aber oftmals angenehm ausführlich, echte Einblicke in Schriftstellerumstände gebend. "Ich habe schon Texte abgebrochen, weil mich die Figur nicht mehr interessiert hat", so ein Fragment einer Antwort. Ins Leben geschnuppert hat Stamm wohl sehr viel. Er war Buchhalter, hat körperlich am Flughafen gearbeitet, ein Abitur nachgeholt, sich in Vorlesungen zu Psychologie oder Anglistik begeben und Theaterstücke verfasst. In der Welt rumgekommen ist er auch ein wenig, weiß also auch, wovon er spricht, wenn er von Agnes und Wolkenkratzern in Chicago schreibt. Eben dort, in Amerika, sei "das Verhältnis von Natur und Kultur zueinander" gut zu bedenken, das sei "in Chicago naheliegender als in Europa".
Was zu Peter Stamm oder wohl besser zu dem Bild, das er bei seinem Besuch in den Köpfen der Zuhörer hinterließ, passte, war die so nett verpackte banal-ehrliche Antwort auf die Schülerfrage, warum er denn ausgerechnet von dieser Agnes und ihrem Weggang schrieb. "Weil ich ein Autor sein wollte. Dann muss man schreiben und ich schrieb eben diese Geschichte." Auch Stamm wird im Gedächtnis des Meranier-Gymnasiums bleiben. Als Vorleser aus Fleisch und Blut und auch, weil jüngst zu ihm Band 28 der Lesehefte des Gymnasiums erschienen ist. Am Ende Applaus, großes Stühlerücken in der Aula, Signierstunde, Stamms Griff zum Rucksack und ein Weggang. Diesmal seiner.