Kämpferin für Menschen in Not
Autor: Manfred Franze
Forchheim, Freitag, 28. Sept. 2018
Die Forchheimer Stadträtin Eva Narr war nach dem Zweiten Weltkrieg eine von sieben weiblichen Abgeordneten im bayerischen Landtag. Es war ein großer Erfolg auch für die SPD, aus der sie aber 1954 austrat.
Nach 1945 verstetigte sich in der Wiederaufbauphase der Prozess der Verselbstständigung der Frauen. Als sogenannte Trümmerfrauen trugen sie erheblich zum Wirtschaftswunder der Fünfziger Jahre bei. In Forchheim ergriff Eva Narr mit der Gründung einer SPD-Frauengruppe im November 1947 die Initiative zur politischen Organisation der Frauen.
Sie war 1939 nach Forchheim zugezogen, hatte im Zweiten Weltkrieg als Rot-Kreuz-Schwester in Polen gearbeitet, ab 1942 das Forchheimer Aussiedlerlager betreut, dann die gesundheitliche Fürsorge in den Flüchtlingslagern übernommen und 1947 die örtliche Arbeiterwohlfahrt mitbegründet.
Geprägt von ihrer karitativen Tätigkeit und durch ihr Elternhaus - ihr Vater war Arbeiter - trat sie 1946 in die SPD ein und wurde 1948 als einzige Frau in den Stadtrat gewählt. Ihr Weg in die Politik sei angesichts des sozialen Elends, das sie erlebt habe, "ganz von selbst, ja aus innerer Notwendigkeit" erfolgt, erklärte sie bei ihrem Amtsantritt: Auch ihre neue Tätigkeit im Stadtrat betrachte sie "nicht so sehr vom parteipolitischen Standpunkt aus, wie aus dem Willen heraus, der Gesamtheit zu dienen und nach Möglichkeit der allgemeinen Not zu steuern".
Einladung an die Frauen
Tatsächlich gelang es ihr in den Jahren darauf, die örtlichen Frauenorganisationen in einem "überparteilichen und überkonfessionellen Komitee" zusammenzuschließen. Auf ihre Einladung hin kamen am 15. März 1950 "Vertreterinnen sämtlicher Forchheimer Frauenorganisationen" von der Gewerkschaft über die Vertriebenen bis hin zu katholischen und evangelischen Gruppierungen - insgesamt 14 Frauenvereinigungen - zusammen und gründeten die Forchheimer Frauenarbeitsgemeinschaft.
Eva Narr (1910 in Potsdam geboren, Besuch der Höheren Töchterschule in Bad Harzburg, Abitur in Leipzig und hier anschließend Kontoristin in einer Textilgroßhandlung) stärkte das Selbstbewusstsein der Frauen mit dem Argument, dass sie "zwei Drittel der Wählerschaft" stellten und "etwa 75 Prozent des gesamten Volksvermögens durch ihre Hände" gingen. Als einzelne Gruppe sei man allerdings zu schwach. Nur in der "Geschlossenheit" des gemeinsamen Auftretens könne man etwas bewirken. Eva Narr wurde zunächst der kommissarische Vorsitz übertragen und ihr mit Frau Karnbaum vom Katholischen Frauenbund und Frau Hager vom Deutschen Gwerkschafts-Bund (DGB) zwei Stellvertreterinnen zur Seite gestellt.
Uneinigkeit gezeigt
Doch schon beim ersten Ausspracheabend der Frauen-AG zeigte sich Uneinigkeit. Eva Narr hatte zwei Resolutionen mitgebracht, eine, die sich gegen drohende Brotpreiserhöhungen richtete, und eine zweite, die eine Wiederbewaffnung Deutschlands ablehnte. "Beide Vorschläge wollen die Frauen erst noch in ihren Gruppen besprechen", hieß es im Pressebericht vom 8. April 1950. Offensichtlich war es einem Teil der Frauen politisch zu brisant, derart regierungskritisch an die Öffentlichkeit zu treten.
Erst im November 1950 kam es noch einmal zu einer Versammlung der Frauen-AG im Forchheimer Rathaus, in der die an der Landtagswahl teilnehmenden Parteien ihr Programm vorstellten. Aber bis auf die Moderatorin Eva Narr waren die Referenten ausschließlich Männer, die mit Ausnahme von Fritz Hoffmann (SPD) zudem gar nicht auf spezielle Frauenfragen eingingen.