Druckartikel: Junkie, Dealer, Schläger - und vor Gericht plötzlich kooperativ

Junkie, Dealer, Schläger - und vor Gericht plötzlich kooperativ


Autor: Katja Nauer

Coburg, Montag, 19. Juni 2017

Die Anklageschrift liest sich wie das Drehbuch zu einem Gewaltfilm: Ein 27-jähriger Coburger soll vier Menschen teils brutal verprügelt haben. Abgespielt ha...


Die Anklageschrift liest sich wie das Drehbuch zu einem Gewaltfilm: Ein 27-jähriger Coburger soll vier Menschen teils brutal verprügelt haben. Abgespielt haben sollen sich die Gewaltexzesse zu unterschiedlichen Zeiten 2016 - immer jedoch in der einschlägigen Betäubungsmittelszene in Coburg.
Der 27-jährige Angeklagte - ein arbeitsloser Coburger, der nach eigener Aussage schon mehrfach im Gefängnis saß - soll im März 2016 einen Bekannten mit massiven Faustschlägen gegen den Kopf und Oberkörper verletzt haben. Der Mann erlitt eine Fraktur der linken Rippe und musste zur stationären Behandlung ins Klinikum Coburg. Außerdem soll der Angeklagte eine Frau zu Diebstahlshandlungen aufgefordert haben und sie, als sie sich weigerte, gegen die Verandatür geschlagen und am Verlassen der Wohnung gehindert haben. Die Frau renkte sich dabei einen Halswirbel aus.
Eine Platzwunde am Hinterkopf war das Ergebnis einer weiteren Gewalttat im Juli letzten Jahres, so die Staatsanwaltschaft Coburg. Im August soll der 27-Jährige gegen einen auf der Couch liegenden Mann tätlich geworden sein. Mit der rechten Faust habe er ihn gegen die linke Gesichtshälfte geschlagen und mit dem Fuß nachgetreten. Das Opfer, das kurzzeitig bewusstlos war, erlitt schwerste Verletzungen im Gesicht, darunter den Bruch der linken Augenhöhle, der seitlichen Augenhöhlenwand, des linken Jochbeins und des Unterkiefers.


Vier schwere Fälle

Die Staatsanwaltschaft legt dem Mann gefährliche Körperverletzung in vier Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung sowie Beleidigung zur Last. Der Mann hatte im August in der Polizeidirektion Coburg einen Beamten mit Worten wie "Dreck sbulle" und "Wichser" beleidigt. Weil sich der 27-Jährige, der 2014 rechtskräftig wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Diebstahl, Bedrohung, vorsätzlicher Körperverletzung und gemeinschädlicher Sachbeschädigung verurteilt wurde, nicht an die damals vom Gericht auferlegten Auflagen hielt, muss er sich zudem noch wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verantworten.
Nicht nur in Fuß-, sondern auch in Handfesseln und mit einer ungewöhnlich hohen Anzahl Polizeibeamte und Sicherheitspersonal wurde der Angeklagte, der zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Bamberg einsitzt, der Ersten Großen Strafkammer vorgeführt. Insgesamt sechs Beamte, einer davon an der Tür, der Rest in unmittelbarer Nähe, behielten den Mann während der Verhandlung im Blick. Bei ihm besteht wohl Fluchtgefahr, weil er zuletzt ohne Wohnsitz war und nach eigenen Angaben bei Bekannten und in einer Gartenlaube geschlafen hatte.
Der Mann gab sich einsichtig, war weitgehend geständig und gab dem Gericht einen umfassenden Einblick ins Leben eines Dealers und Junkies. "Ich bin drogenabhängig", sagte er, "ich war mehrfach im Gefängnis gewesen und jetzt bin ich halt wieder hier."
Er habe bisher nie so richtig Hilfe bekommen. Aus dem Berufsvorbereitungsjahr sei er wegen Körperverletzung "rausgeflogen", genau wie auf seiner bisher einzigen Arbeitsstelle, da allerdings wegen Drogenkonsums, auch aus einer Therapie sei er "rausgeworfen" worden.
Er habe sich Opiate, Crystal Meth und Fentanyl gespritzt, daneben Marihuana und Haschisch geraucht und sich auch mehrmals überdosiert, erklärte er. Einmal hätten ihn Polizisten ins Krankenhaus gebracht. "Ich nehme die ganze Zeit Drogen", gab er an. Eine entsprechende Medikation bekomme er auch in der Haft.
Er habe in Coburg massiv mit Drogen gedealt und diese auch selbst konsumiert, sagte er aus. "Am Anfang war ich fast täglich in der Tschechei." Er habe alles "reingeknallt" und fühle sich nicht mehr als Teil der Gesellschaft. Heute allerdings wolle er mitmachen bei der Gerichtsverhandlung, sagte er und beteuerte, die Wahrheit zu sagen.
Bis auf die Schläge gegen die Frau und die anschließende Freiheitsberaubung gab der Mann die ihm vorgeworfenen Taten weitestgehend zu.
Die Verhandlung wird heute, Dienstag, 20. Juni, fortgesetzt.