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Junge Sinti und Roma bekommen Chance auf Bildung


Autor: Stephan-Herbert Fuchs

Bayreuth, Dienstag, 03. Januar 2017

Stephan Herbert Fuchs Mit dem Ziel, benachteiligten jungen Sinti und Roma den Zugang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist in Bayreuth ein besonderes Proj...
Markus Reipen vom bayerischen Arbeitsministerium  Foto: S. H. Fuchs


Stephan Herbert Fuchs

Mit dem Ziel, benachteiligten jungen Sinti und Roma den Zugang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist in Bayreuth ein besonderes Projekt ins Leben gerufen worden. Hintergrund ist, dass viele junge Sinti und Roma entsprechende Förderschulen ohne Abschluss und ohne echte Chance auf eine Berufsausbildung verlassen.
Bei einem runden Tisch mit Vertretern von Sinti-Verband, Arbeitsministerium, Wirtschaftskammern, Arbeitsagentur und Politik sprachen sich alle Beteiligten dafür aus, das Projekt weiterzuverfolgen und sich dabei an einer ähnlichen Maßnahme zu orientieren, die seit Jahren in Straubing läuft.


Straubing als Vorbild

Das Straubinger Projekt mit dem Namen "Mari budi" hat bereits viele junge Sinti und Roma zu einem beruflichen Abschluss gebracht. "Mari budi" bedeutet in der Sprache der Sinti "meine Arbeit".
Primäres Ziel ist es, Jugendliche durch praktische Aktivitäten beim Übergang von der Schule in das Erwerbsleben zu begleiten. Nach den Worten von Markus Reipen vom Bayerischen Arbeitsministerium wird die Maßnahme drei Jahre lang aus Mitteln des bayerischen Arbeitsmarktfonds gefördert. Die Kofinanzierung erfolge durch einen privaten Projektträger und das Jobcenter.
Im Mittelpunkt des Projekts stünden die Gruppenbetreuung durch einen Sozialarbeiter, die individuelle Unterstützung der Jugendlichen und arbeitspraktische Anweisungen. Als mögliche Arbeitsfelder nannte Reipen handwerkliche Tätigkeiten etwa in der Metall- und Holzbearbeitung sowie Garten- und Landschaftsbau.


Träger entscheidend

Konkret sollte am Ende der Maßnahme die Vermittlung in Praktika, in eine Ausbildung oder das Nachholen eines Bildungsabschlusses stehen.
Nach den Worten von Jürgen Bayer, Geschäftsführer des Bayreuther Job-Centers, werde die Auswahl des Trägers über das Gelingen entscheiden. Der Träger müsse nicht nur allgemein qualifiziert und möglichst vor Ort niedergelassen sein, es sei auch wichtig, auf die Zielgruppe mit der entsprechenden Sensibilität zuzugehen. Neben dem berufsbegleitenden Ansatz sei auch eine sozialpädagogische Ausrichtung wichtig.
"Wir brauchen dringend ein solches Projekt", sagte Joey Wiegand vom Sinti-Verband in Bayreuth. Viele Kinder von Sinti und Roma besuchten Sonderschulen oder könnten keine lückenlose Schulbiografie, geschweige denn einen Abschluss nachweisen. Die Maßnahme sei schon deshalb so wichtig, damit nachfolgende Generationen nicht bei Hartz IV landen, so Wiegand, der selbst seinen qualifizierenden Hauptschulabschluss nachholte und mittlerweile die Meisterprüfung im Schreinerhandwerk erreicht hat.
In einem ersten Schritt sollen nun alle Beteiligten über die entsprechenden Fördervoraussetzungen informiert werden. Die Zeit drängt, denn Antragsschluss ist bereits Anfang April. Dann wollen die Initiatoren versuchen, den Sozialpädagogen Steffen Sobeck aus Straubing für einen Erfahrungsbericht zu gewinnen. Schließlich beabsichtigen die Initiatoren, Jugendliche und junge Erwachsene aus der Volksgruppe der Sinti und Roma im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die für die Maßnahme infrage kommen, zu einer Informationsveranstaltung einzuladen.


Nationale Minderheit

Zustande gekommen war der runde Tisch auf Initiative des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk. Er erinnerte daran, dass Sinti und Roma eine anerkannte nationale Minderheit seien. Sie seien damit keineswegs ein Problem, sondern eine geschützte gesellschaftliche Gruppe, die seit 500 Jahren in Europa lebe und der während der Nazi-Diktatur ein unvorstellbares Schicksal zuteil geworden sei.
In Bayreuth gibt es rund 40 Sinti-Familien mit 30 Kindern zwischen zehn und 25 Jahren.