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Jung und Alt unter einem Dach


Autor: Redaktion.

Strullendorf, Donnerstag, 03. Juli 2014

Gemeindeleben  Das "Mehrgenerationenhaus" in Strullendorf ist ein wichtiges Zentrum und für viele Menschen ein zweites Wohnzimmer geworden. Dabei lernen die Besucher ihre Mitmenschen neu kennen. Gestern kam eine gute Nachricht.
Anna Mikolajewski stärkt mit ihrem "Mehrgenerationenhaus" den nachbarschaftlichen Zusammenhalt in Strullendorf. Foto: Matthias Hoch



von unserer Mitarbeiterin Judith Huber

Strullendorf — Stolz zieht Anna Mikolajewski den dicht gefüllten Stundenplan hervor. Aerobic, Häkelrunde, Yogastunde, Tanz- und Gitarrenkurs. "Es laufen gerade so viele verschiedene Aktivitäten bei uns, es ist einfach toll, wie ausgelastet wir sind. Und alles das wird ja angeboten von den Menschen selbst!"
Die studierte Sozialpädagogin ist klein und zierlich. Sie sitzt an einer langen Tafel, der Raum in der Forchheimer Straße ist hell und bunt und erinnert an eine Mischung aus Kindergarten und Gemeindezentrum. Es ist Donnerstagnachmittag, normalerweise wäre hier im "Mehrgenerationenhaus" gerade der "Offene Treff" in vollem Gange.
An drei Tagen in der Woche kommen Jung und Alt, Groß und Klein zusammen, plaudern und trinken Kaffee. Eltern mit ihren Zöglingen aus der Kinderkrippe nebenan treffen auf Bewohner des nahe gelegenen Altersheims sowie auf andere neugierige Gesellige. Willkommen ist jeder. "Gegen 4.15 Uhr ist hier immer die Bude voll."
Nur heute bleiben die Theke und die langen Tische leer, die Spiel- und die Bücherecke müssen auf ihren nächsten Einsatz warten. Die ehrenamtliche Kaffeedame ist krank und das Haus, das wird Mikolajewski nicht müde zu betonen, lebt von den unzähligen freiwilligen Helfern.
Seit zwei Jahren ist die gebürtige Polin Leiterin und einzige Festangestellte im "Mehrgenerationenhauses Strullendorf". Seitdem hat die engagierte junge Frau die Einrichtung fest in den Alltag der kleinen Gemeinde und seiner Bewohner integriert. Tatkräftig unterstützt haben sie dabei all jene, die regelmäßig mit anpacken, beim Kaffeeausschank, beim Aufbauen und Organisieren. Und natürlich die Menschen selbst aus Strullendorf und Umgebung, die hier ein "zweites Wohnzimmer" gefunden haben und die mit ihren Ideen das Haus und das Gemeindeleben gestalten und beleben.
"Das Prinzip der früheren Großfamilie in die moderne Gesellschaft tragen", so lautete die Devise des Bundesfamilienministeriums, als 2006 das "Arbeitsprogramm Mehrfamilienhaus I" ins Leben gerufen wurde. Über 450 Einrichtungen wurden auf Basis dieser Initiative seither gegründet.
Jede Einzelne ist anders, gleich ist die Grundidee: Der Austausch gerade zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ist ungemein bereichernd für alle Beteiligten - und maßgeblich für einen starken Zusammenhalt in der Gemeinde. Jung und Alt sollen voneinander lernen, Kontakte außerhalb der eigenen sozialen Schicht und Altersgruppe fördern die sozialen Kompetenzen und erweitern den Horizont, so das Bundesfamilienministerium.

Praktische Vorteile

Aus einer engen lokalen Vernetzung ergeben sich darüber hinaus unzählige rein praktische Vorteile, schwärmt Mikolajewski. Demografischer Wandel, veränderte Familienstrukturen und Arbeitsanforderungen zögen neue Bedürfnisse und Engpässe nach sich. Viele jüngere Menschen seien mehr denn je auf Mobilität und Flexibilität angewiesen, viele ältere würden gerne mehr am sozialen Leben teilhaben. In einer Generationen-übergreifenden Gemeinschaft können etwa Rentner Kinderbetreuung übernehmen und selbst von neuen Anreizen und einem hilfsbereiten nachbarschaftlichen Umfeld profitieren.
In Strullendorf ist genau das passiert, berichtet die Leiterin begeistert. "Das Haus hat einen sozialen Mittelpunkt in der Gemeinde eingenommen, entstanden ist eine Art Nachbarschaftsnetzwerk."
Außer im Café können sich die Menschen in zahlreichen Kursen und Veranstaltungen kennenlernen. Jeder Vorschlag ist willkommen. Die Klasse "Wir lernen Deutsch" bietet Sprachunterricht. Kinder aus der Krippe und Senioren aus dem Heim treffen sich zum Marmeladekochen. Beim "Integrationscafé" basteln Menschen mit Behinderung gemeinsam. "Mittlerweile kommen so viele Leute von selbst mit ihren Ideen auf mich zu, das Ganze hat eine wahnsinnige Eigendynamik entwickelt", strahlt Anna Mikolajewski.

Zukunftspläne

Ende dieses Jahres sollte das Aktionsprogramm II auslaufen. Gestern nun kam die Nachricht aus Berlin, dass die weitere Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser gesichert ist: "Damit steht auch die Finanzierung für die Mehrgenerationenhäuser im Raum Bamberg-Forchheim für das Jahr 2015", teilte der Bamberger Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz (SPD) am Mittwoch mit. Die SPD-Bundestagsfraktion habe sich bereits frühzeitig für eine Weiterführung des erfolgreichen Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser eingesetzt.
Andreas Schwarz ist mit der Arbeit von Mehrgenerationenhäusern vertraut. Als ehemaliger Bürgermeister von Strullendorf hat er die Errichtung des ersten Mehrgenerationenhaus im Landkreis Bamberg initiiert - "als Antwort auf den demografischen "Wandel", wie er sagt.
Anna Mikolajewski ist froh, dass der Fortbestand gesichert ist. "Die Häuser haben sich einfach überall so gut etabliert und sind so wichtige Teile der Gemeinden geworden. Dadurch werden ja auch die Kommunen sehr entlastet." Nur eines wünscht sie sie jetzt noch: längere Öffnungszeiten. Da das Café und viele Aktivitäten wochentags und nachmittags stattfinden, ist es für ganztägig Berufstätige oft schwer, teilzunehmen.