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Julius Sibers mysteriöse Begegnung in Zeil


Autor: Ludwig Leisentritt

Zeil am Main, Freitag, 04. Januar 2019

Dreimal trat in Zeil der 1871 in Dettelbach geborene Geigenvirtuose Julius Siber auf, der über eine "fabelhafte, nicht mehr steigerungsfähige Technik" verfügte. Er war Jurist, Schriftsteller, Komponis...
Der Violinkünstler Siber, hier mit seinem Klavierbegleiter Albert Jung, trat im Jahr 1927 auch in Haßfurt auf. Foto: Ralph Ziegler


Dreimal trat in Zeil der 1871 in Dettelbach geborene Geigenvirtuose Julius Siber auf, der über eine "fabelhafte, nicht mehr steigerungsfähige Technik" verfügte. Er war Jurist, Schriftsteller, Komponist und Geigenvirtuose und galt als "deutscher Paganini", aber auch als "Sonderling auf der Violine", mit der er weltweit Erfolge feierte. Er spielte vor Königshäusern und versetzte ganze Menschenmassen in Ekstase. Und er hatte Zeil in sein Herz geschlossen, was seine Gründe hatte.

"Von diabolischer Schönheit"

Bei einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten des Baues der Bergkapelle trat der legendäre Künstler 1895 erstmals in Zeil auf. Bei diesem Gastspiel im Zeiler "Roten Roß" war ein fremder mysteriöser Gast erschienen. Am Ende des Konzertes war der "Jüngling von phantastischer, diabolischer Schönheit" jedoch verschwunden. Danach fand die Kellnerin unter seinem unberührten Bierglas ein 20-Mark-Stück.

Gerne hätte sich Siber noch mit dem Unbekannten unterhalten. Doch niemand hatte gesehen, wohin er seine Schritte lenkte. Er schien vom Erdboden verschwunden zu sein. Man erinnerte sich noch, dass ihn auch keiner kommen sah. Dem Zeiler Stadtpfarrer Link erschien diese Sache derart mysteriös, dass er am Bahnhof nachfragen ließ, ob dort der genau beschriebene Fremde angekommen oder abgefahren sei. Man sprach in Zeil von einem Mysterium.

"Ich gestehe", bekannte Siber später, "dass ich seitdem eine große Sehnsucht hatte, diesen seltsamen jungen Menschen wiederzusehen. Aber er erschien mir nicht wieder, weder im Konzertsaal noch sonst, auch nicht einmal im Traum." Diese mysteriöse Begegnung in Zeil inspirierte den Virtuosen zu seinem berühmtesten Geigensolo.

Zwei Jahre später tauchte "der mystische Mensch von Zeil" nach einem Festkonzert in Regensburg für einen kurzen Moment noch einmal auf, um gleich wieder zu verschwinden. Später äußerte Siber: "In dieser schrecklichsten meiner Nächte warf ich meinen ,Hexentanz‘ aufs Papier; nicht etwa damit die Orgie der Hexen auf dem Blocksberg schildernd, sondern die unermessliche, wütende Verzweiflung eines unsäglich Leidenden, der Gott verflucht und die unterirdischen Geister ruft."

Das Konzert im "Roten Roß" in Zeil war nach den Worten Sibers von zentraler Bedeutung. Die Begegnung mit dem etwa 18-jährigen, fremdländisch aussehenden Jüngling hat sein seelisches Leben verändert. Nach seinen eigenen Worten zog ihn eine übermäßige, dämonische Sympathie an.