Jugendräume selbst geschaffen
Autor: Bettina Knauth
Dietersdorf, Dienstag, 26. Juli 2016
Der Dietersdorfer Jugend steht ein neuer schmucker Treffpunkt zur Verfügung. Hergerichtet haben ihn die Jugendlichen fast ganz allein. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.
Kickern, Billard spielen, Filme schauen oder einfach nur Chillen: Das kann die Dietersdorfer Jugend nun im rundum erneuerten Jugendraum. "Für die unter Achtzehnjährigen brauchten wir einen Treffpunkt - und wir haben ihn hergerichtet", sagte Manuel Brasch. Nach dreijähriger Bauzeit konnte der Jugendtreff im Obergeschoss des "Hauses der Bäuerin" bei einem "Tag der offenen Tür" besichtigt werden. "Wir sind froh, zumindest innen fertig zu sein", berichtete der junge Dietersdorfer.
Zu den Einwohnern, die der Einladung zu Kaffee und Kuchen gefolgt waren und sich neugierig in den neugestalteten Räumlichkeiten umsahen, zählte auch Clemens Schellenberger. Der heute 64-Jährige stieß vor über 40 Jahren den Treffpunkt für die Dietersdorfer Dorfjugend an.
Nach dem Aus für den Unterrichtsbetrieb in der Alten Schule im Jahr 1975 trafen sich jeden Freitag Jugendliche zur "Gruppenstunde", damals noch im "Bauernstübchen" im Erdgeschoss. Schellenberger, der in der katholischen Landjugendbewegung aktiv war, stellte Themen zur Diskussion. "Wir haben uns etwa mit dem Rauchen auseinandergesetzt", erinnert er sich, "und dafür Collagen geklebt". Ähnlich der Schockbilder auf den heutigen Zigarettenpackungen hätte das damals Teilnehmer davon abgehalten gleich mit dem Rauchen anzufangen. Später hätten dann Wolfgang Herold und Hildegard Brasch die Organisation der Treffen übernommen, wie sich über die 40 Jahre immer wieder Jüngere fanden.
Legendäre Feiern
Auch Manuela Weidhaus hegt viele Erinnerungen an den Jugendraum.
"Legendär" nennt sie die Feiern, die hier stattfanden: "Der Treff war weit über Dietersdorf hinaus bekannt." Und Musik sei immer "ein Muss" gewesen. Als die gebürtige Ebracherin 1987 nach Dietersdorf kam, fanden die Treffen bereits im Obergeschoss statt. "Mein Mann Volker war dafür zuständig, den Ofen zu schüren, denn hier war es immer arschkalt", berichtet sie. Zu ihren unschönen Erinnerungen zählen Schlägereien ("Security gab es damals nicht!"), Lärm und Zoff mit den Nachbarn ("Wir gingen damals nicht um 23 Uhr heim!") sowie Dreck ("Als Einheimische waren wir immer die Blöden, die den Müll wegmachen durften!").
Fehler erlaubt
"Hier durfte man erwachsen werden", sagt Schellenberger rückblickend. Auch Fehler hätten die Jugendlichen hier machen dürfen.
Sich einigen, klarkommen, wenn einer mal nicht so mitzog wie geplant, das sind seiner Meinung nach wichtige Übungen fürs Leben gewesen. Gerade dieses "Einüben ins Ehrenamt", wie es der Dietersdorfer nennt, sei "heute extrem wichtig", stimmt Weidhaus ihm zu. Allerdings muss nach ihrer Meinung "einer die Richtung vorgeben". Dieser Leader war bei den Bauarbeiten Manuel Brasch, auch wenn der gleich abwiegelte: Zu 95 Prozent, so schätzt der 22-Jährige, entstanden die Räumlichkeiten in Eigenleistung eines Teams von rund 25 Leuten, mit Unterstützung von Fachleuten. "Ich denke nicht nur an die Arbeitskraft, sondern auch an Arbeitsgerät und Spenden, die uns zur Verfügung gestellt wurden", zählte Brasch auf. Zunächst wurde der in die Jahre gekommene Treffpunkt leer geräumt und entkernt. "Dann haben wir von Grund auf alles wieder reingebaut, Strom gelegt, die Wände verputzt, Laminat verlegt sowie neue Toiletten, Fenster und Türen eingebaut."
Im ersten Raum finden sich eine große Bartheke und eine Empore für den DJ. Im hinteren Raum entstand ein größeres Podest mit aus Paletten gebauten Sitzgelegenheiten. Feste Öffnungszeiten hat der Treff nicht. "Wir verabreden uns spontan über Whatsapp", sagt Elena Kobriger.
Der Gruppe gehören etwa 15 Jugendliche im Alter von 14 bis 25 Jahren an. Die Gruppe steht auch Nicht-Dietersdorfern offen. "Jeder bringt einfach seine Kumpels mit", schilderte Brasch.
Terrasse geplant
"Eine tolle Eigeninitiative von Jung und Alt", lobte Bürgermeister Martin Mittag (CSU) die Wiederbelebung des Dietersdorfer Jugendraums.
"Hier wissen junge Menschen, wo sie sich aufhalten können." Gleichzeitig werde das öffentliche Gebäude sinnvoll genutzt, weshalb die Stadt das Vorhaben der Jugendlichen gern finanziell unterstützt habe. Mittag kam am Sonntag vorbei, um Manuel Brasch symbolisch einen großen Schlüssel zu überreichen. Nachdem die Arbeiten innen fertig sind, wartet noch der Außenbereich auf die Jugendlichen. "Wir möchten eine Terrasse mit Sitzgelegenheiten und Grillplatz anlegen", berichtete Brasch. Dazu soll die Grünfläche mit Erde angeschüttet und darauf die bereitliegenden Pflastersteine verlegt werden. "Auch private Sponsoren für die Möbel haben wir schon gefunden", freute sich der 22-Jährige. Dass es wie in der Vergangenheit Probleme mit den Nachbarn geben könnte, befürchten weder der Rathauschef noch der Initiator.
Brasch sagt: "Vor der Re-Opening-Party mit DJ Caruso am letzten Freitag haben wir die Anlieger mit einer Flasche Sekt besucht und vorgewarnt", berichtete die Fachkraft für Lagerlogistik. "Wir sind das seit über 30 Jahren gewohnt, da kommt es auf ein Mal nicht mehr an": Mit diesen Worten kommentierte laut Brasch ein Nachbar das Vorhaben der Jugendlichen. Die Party mit 150 Teilnehmern lief ohne Probleme ab. Mit dem Aufstellen des Pfingstbaums und dem Jahresabschluss, jeweils am Dorfplatz, warben die Jugendlichen vorab zusätzlich um Vertrauen. "Den schlechten Ruf, den der Jugendraum einmal hatte", da ist sich der junge Dietersdorfer sicher, "den hat er längst verloren." Und so soll es auch unter dem neuen Team bleiben. Erst recht, nachdem alle so viel Zeit, Energie und Mittel in ihren schmucken Treff investiert haben.