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Jugendleiter im Bodenkampf


Autor: Gabi Arnold

Neukirchen, Donnerstag, 06. November 2014

seminar  Männliche Mitarbeiter aus dem Bereich der Jugend- und Sozialarbeit haben bei einem Seminar mit Josef Riederle ausprobiert, warum Kampfesspiele in ihrer täglichen Arbeit eine spannende Rolle spielen können.
Bis hierher und nicht weiter: Bei Kampfesspielen geht es ganz und gar nicht darum, mit Aggressivität weiter zu kommen. Foto: Gabi Arnold


von unserer Mitarbeiterin Gabi Arnold

Coburg — Die Männer sitzen in bequemer Kleidung im Kreis, die Schuhe haben sie abgestreift, auf dem Boden liegen Turnmatten. Trainer Josef Riederle und ein Teilnehmer namens "Alex" sitzen vor der Gruppe und schauen sich tief in die Augen. "Ich kämpfe fair", sagt Riederle und "Alex" wiederholt den Satz und dann rangeln die Männer Schulter an Schulter auf der Matte. Was auf dem ersten Blick recht merkwürdig anmutet, ist eine Weiterbildung, die sich speziell an männliche Mitarbeiter aus dem Bereich der Sozialpädagogik oder Jugendsozialarbeit richtet.
In dem Seminar "Raufen, Rangeln, Kräftemessen" geht um den Umgang mit Gewalt von Jugenlichen. Uli Schmerbeck (Jugendpfleger der Stadt Coburg) hat das Seminar initiiert. "Das Ziel ist es, das wir lernen mit der körperlichen Auseinandersetzung von Jungs umzugehen" sagt Schmerbeck. Wildheit sei ein normales Bedürfnis von Jungs und werde in der Gesellschaft oft fälschlicherweise als Gewalt gedeutet. Aber: "Jungs haben das Bedürfnis sich zu spüren." Nachdem der Referent Josef Riederle die Übungen vorgeführt hat, und er und sein "Kontrahent" sich für den fairen Kampf bedanken, dürfen die Teilnehmer auf den Matten im Zweikampf ebenso fair und respektvoll ihre Kräfte messen, absolute Tabus sind Beleidigungen.
Der Kampf kostet Kraft, Energie und ist schweißtreibend. Nils Anders kommt aus Coburg und arbeitet in Sonneberg in einem Zentrum für Jugendsozialarbeit. Er weiß, dass das Grundbedürfnis von Jungen nach Bewegung oft als Gewalt gedeutet. Sein "Gegner" Felix Schön sieht ähnlich, er arbeitet in der Jugendpflege in Seßlach und hat mit Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren tun, oder während des Ferienprogramms mit älteren Jugendlichen. "Es ist völlig normal das Jungs einen Drang nach Bewegung haben und dies muss man positiv nutzen", sagt er. Wie dies funktionieren kann, lernen die Mitarbeiter bei dem Seminar.
Kursleiter Josef Riederle ist Sozialpädagoge, Gendertrainer und Entwickler der Kampfesspiele, er leitet auch das Institut Kraftprotz, ein Bildungsinstutitut speziell für Jungen und Männer. Damit die Jungen neue Verhaltensweisen lernen können, sagt er, müssten sie erst die eingefahrenen Rollenstereotypen verlassen. "Jungen müssen lernen, sich zu trauen, Hilfe zu holen oder sensibel zu reagieren." Denn dies seien typisch weiblich besetzte Eigenschaften. Um dies zu lernen, brauchen Jungs oder auch Männer unbedingt einen Schonraum, wo sie völlig unter sich, also ohne Mädchen oder Frauen, sind.

(K)eine Frage der Ehre

Die Kampfesspiele seien für die Jungs deshalb so interessant, weil sie eben männlich besetzt und damit attraktiv sind. Die Jungs erfahren im Spiel den positiven Umgang mit männlicher Kraft und Aggression. Das Spiel stärkt das Selbstbewusstsein, die Handlungsfähigkeit und das Selbstbewusstsein und die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen wie Selbstachtung, drohende Beschämung oder Ehre. "Die Jungen lernen beim Kampf, dass Mitgefühl, Verbundenheit und Fairness wichtige Eigenschaften eines guten Kämpfers und eines angesehenen Mannes sind." Für Uli Schmerbeck geht es um sehr viel mehr, als um das Kämpfen, "Es geht vor allem darum die Wahrnehmung und die Achtsamkeit zu schulen und damit auch das Selbstwertgefühl zu stärken."