Ingrid Häfners Odyssee mit "Leo"
Autor: Anette Schreiber
Erlau, Freitag, 05. Mai 2017
Die Erlauerin rettet eine Schildkröte davor, überfahren zu werden. Doch was tun mit dem Tier? Es dauerte, bis das Reptil wieder dort war, wo es herkam - aus einem Biotop im Aurachtal.
anette schreiber
Leo von der Straße zu pflücken und dadurch vor dem Überfahren zu retten, war noch die leichteste Übung für Ingrid Häfner. Donnerstag vergangener Woche klaubte die Erlauerin das gepanzerte Tier auf der Straße zwischen Trabelsdorf und Feigendorf auf. Was aber dann? Kein Besitzer in Sicht. Das Tier, dem sie den Namen Leo gab, hielt die 63-Jährige auf Trab. Mit Leos Geschichte wandte sie sich an den Fränkischen Tag.
Auf der Heimfahrt vom Blumenkauf hatte die tierliebe Frau Donnerstagvormittag etwas auf der Straße bemerkt, das sich nur langsam bewegte. Sofort hielt sie an und erkannte eine Schildkröte. Geistesgegenwärtig warnte sie auch die weiteren Verkehrsteilnehmer und holte Leo von der Straße.
Und dann? Sie nahm Leo mit und fragte bei der Gemeinde nach, denn sie ging davon aus, dass Leo irgendjemandem aus der Gemeinde abhanden gekommen war. Die Gemeinde wusste von keiner entlaufenen Schildkröte und verwies, wie in Tierfund-Fällen üblich, ans Bamberger Tierheim.
Also fuhr Ingrid Häfner nach Bamberg. Dort war man erstaunt über den Gast und brachte ihn erst einmal unter.
Freilich war Finderin Häfner am weiteren Schicksal Leos interessiert und wollte wissen, ob sein Besitzer gefunden werden kann beziehungsweise wo Leo letztlich unterkommt.
Leo blieb jedenfalls über Nacht im Tierheim. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine heimische und streng geschützte Schildkrötenart handelt: Leo ist eine Sumpfschildkröte. Und die müsse Häfner auch wieder dorthin zurückbringen, wo sie herkam, sei ihr mitgeteilt worden. Also holte sie Leo am Freitag wieder ab. "Aber zurück auf die Straße, von der sie ihn mitgenommen hatte?" Sie recherchierte, versuchte Experten zu erreichen, bekam über den Tierschutzbund die Nummer eines Experten, eines Tierarztes aus Coburg. Doch beim Telefonat gab dessen Aku den Geist auf.
So telefonierte die Erlauerin weiter, während Leo auf Steinen in einem mit Wasser gefüllten Plastikwännchen in der Erlauer Badewanne der Dinge harrte. Denn inzwischen hatte sie herausgefunden, wie er üblicherweise lebt und was er frisst.
Ingrid Häfner telefonierte weiter. Kassierte eine Moralpredigt, dass sie das Tier erst gar nicht hätte mitnehmen dürfen und sie es umgehend zurückbringen müsste.
Zurück zur Fundstelle
Das tat sie dann schließlich. Sie fuhr zurück zur Fundstelle, um Leo in der Nähe an einem geeigneten Platz frei zu lassen. "Allerdings war Leo so dumm und lief gleich wieder auf die Straße." Das ging natürlich gar nicht. Als holte ihn die 63-Jährige erneut von dort weg.Mittlerweile hatte sich ein Landwirt mit seinem Trecker genähert. Man kam ins Gespräch und der Bauer erzählte von einem Biotop gleich in der Nähe, wo er Leos "Heimat" vermutete. Also gab die Schildkrötenretterin ihm das Tier mit, damit es endlich wieder dorthin zurückkommt, wo es höchstwahrscheinlich hergekommen und in Sicherheit ist.
Freilich rief tags darauf der Coburger Tierarzt an, der Leo gerne in Augenschein genommen hätte. "Aber das war ja nicht mehr möglich." Sie konnte nur noch eine ungefähre Beschreibung liefern und mitteilen, dass Leo eine stolze Länge von 31 Zentimetern (zwischen Kopf und Schwanz) aufweist.
Vieles hat sie bei ihren Recherchen erfahren. Auch von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, die für besonders geschützte Tier zuständig ist. Im Prinzip habe die Erlauerin richtig gehandelt, meint Ramona Deuber von der genannten Behörde dazu. Sie ist für Artenschutzfragen zuständig. "Es ist verboten, Tiere, die unter Artenschutz stehen, der Natur zu entnehmen", macht sie deutlich. Aber bei Gefahr in Verzug oder Verletzungen habe die Rettung Vorrang. Es gebe eine Artenschutzdatenbank, auf die jeder Zugriff hat und in der alle unter Artenschutz stehenden Tiere aufgelistet sind (www.wisia.de). Hier könne man leicht den Schutzstatus ermitteln. Tierarzt, Tierheim, Gemeinde seien in Leos Fall die richtigen Adressen gewesen.
Ingrid Häfner hätte sich auch an die Untere Naturschutzbehörde und sie selbst wenden können, Tel. 0951/85533, sagt Ramona Deuber. Der von Ingrid Häfner erwähnte Coburger Spezialist sei dem Amt übrigens auch bekannt und werde ab und zu eingeschaltet.