Im Zweifel für den Künstler, der den ganzen Mist verzapft hat
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Dienstag, 16. April 2019
Was ist Kunst? Fragen Sie das mal in Ihrem Bekanntenkreis und Sie werden viele verschiedene Antworten bekommen. Per Definition ist Kunst das schöpferische "Gestalten aus den verschiedensten Materialie...
Was ist Kunst? Fragen Sie das mal in Ihrem Bekanntenkreis und Sie werden viele verschiedene Antworten bekommen. Per Definition ist Kunst das schöpferische "Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt" (Duden).
Nun können Sie sich denken, dass so ziemlich alles Kunst sein kann, wenn man es nur als solche bezeichnet. Gut, halb so wild, schließlich kann man ja unterteilen zwischen herausragender Kunst und grauenhafter Kunst, zwischen notwendiger und überflüssiger Kunst, zwischen hoher und niedriger Kunst - oder etwa nicht? Aber wer unterteilt das und wie soll man sich da einig werden? Oder ist es nicht einfach egal, kann nicht jeder einfach selbst entscheiden, was er mag und was nicht, was schön ist und was nicht? Prinzipiell freilich, aber deswegen ist es noch lange keine Kunst.
Kaum jemand etwa würde Lieder, die im Musikantenstadl gespielt werden, als Kunst bezeichnen, höchstens als Folter. "Aber halt!" muss jetzt jemand rufen, denn vernünftigerweise ließe sich ja einwenden, dass doch gerade das die Kunst ist, so etwas wie volkstümliche Schlagermusik überhaupt an den Mann und die Frau zu bringen - das Zeug verkauft sich schließlich, da werden Millionen Euro mit verdient. Also doch Kunst.
Überhaupt, Trash und Schund darf als eigene Kunstrichtung betrachtet werden, es gibt zahlreiche Beispiele, in denen gerade das Schlechte, das Dilettantische, das Undurchdachte, das Hässliche, das Peinliche zur Kunst erhoben wird. Das hat auch etwas Sympathisches.
In der Filmbranche etwa gibt es zahlreiche Meisterwerke des filmischen Versagens, die Leute feiern das, gründen Fanclubs, machen Filmabende, nur um unfassbar schlechte Filme zu gucken. Auf dem Sender Tele 5 etwa gibt es die Sendereihe "SchleFaZ" (steht für "Schlechteste Filme aller Zeiten"), die Moderatoren Oliver Kalkofe und Peter Rütten präsentieren und zelebrieren dort missglückte Filme, die sich durch hanebüchene Handlung, erbärmliche Dialoge oder unfassbar schlechte Spezialeffekte hervortun. Auch das darf als Kunst bezeichnet werden, die Szene hat sogar ihre eigenen Stars wie etwa den deutschen Regisseur Uwe Boll oder dessen amerikanische Berufskollegen Ed Wood und Tommy Wiseau. International berühmt, von Kritikern verspottet, vom Publikum ebenso, aber halt auch geliebt.
Kunst? Irgendwie schon. Man muss nur aushalten können, dass viele Menschen sich am Scheitern der anderen ergötzen wollen. Da ist die Lust, jemanden beim Versagen zuzusehen, um sich selbst nicht eingestehen zu müssen, seine eigenen Träume begraben zu haben, es gar nicht erst versucht zu haben: Da schau, der blamiert sich doch, das bleibt mir erspart.
Es gibt auch jene Kunstwerke, die man dem Künstler aus Mitleid abkauft, weil er sich die Mühe gemacht, weil er ein glaubhaftes Maß an Leidenschaft an den Tag gelegt hat, als er an die Arbeit ging und am Ende sein Werk aus Achtung vor sich selbst als "schön" bezeichnete, obwohl das Gegenteil der Fall war. Jeder hat so einen Künstler bestimmt schon einmal getroffen, die meisten fragen sich dann, warum er denn nicht einfach einer normalen Arbeit nachgeht, wie die meisten anderen Menschen auch. Liegt doch auf der Hand, wenn es nicht so läuft im Kunstbusiness. Man kauft ihm dann eine Skulptur oder ein Ölgemälde ab und stellt das Werk irgendwohin, wo es niemanden stört.