Im Vollrausch zugestochen
Autor: Werner Reißaus
Kulmbach, Freitag, 14. Juli 2017
Die 22-Jährige, die in Untersteinach einen schlafenden Mann mit einem Küchenmesser attackiert hatte, wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Gericht ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Der Vorwurf des versuchten Mordes wurde am Ende der Hauptverhandlung fallengelassen, übrig blieb ein vorsätzlicher Vollrausch. Die Strafkammer des Landgerichts Bayreuth unter Vorsitz von Richter Michael Eckstein verurteilte eine 22-Jährige zu einer Haftstrafe von vier Jahren und ordnete wegen der Alkohol- und Drogenprobleme der Frau die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Die 22-jährige Mutter eines siebenjährigen Jungen hatte am frühen Morgen des 8. Januar in ihrer Wohnung in Untersteinach auf einen schlafenden gleichaltrigen Bekannten mit einem größeren Küchenmesser zehnmal eingestochen. Der Mann erlitt zahlreiche Stichverletzungen in der Brust, im Bauch sowie an den Armen und Beinen.
Nicht lebensbedrohlich
In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bayreuth war deshalb von einem "unbedingten Vernichtungswillen" die Rede, die Anklage lautete auf versuchten Mord. Ein Sachverständiger hatte die Verletzungen als gefährlich, aber nicht lebensbedrohlich bezeichnet. Am Ende des gestrigen letzten Verhandlungstags forderten sowohl der Vertreter der Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger Karsten Schieseck eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Vollrausch. Richter Michael Eckstein folgte dem in seinem Urteil.
Die Angeklagte hatte damals offenbar zum Messer gegriffen, weil ein Date mit ihrer großen Liebe gescheitert war. Darüber war sie wohl "stinksauer".
Die Verhandlung hatte sich mitunter sehr schwierig gestaltet, weil die geladenen Zeugen große Erinnerungslücken hatten. Ein Zeuge wusste immerhin noch, dass er am Tattag gegen Mittag mit weiteren Personen Sperrmüll auf die Straße getragen und dabei zwei oder drei Bier getrunken habe. Irgendwann in der Nacht habe er plötzlich Schreie gehört. Als er vor der Haustür eine Zigarette rauchen wollte, habe er die Polizei und einen Krankenwagen gesehen.
Ein "heulendes Elend"
Mehr zur Aufklärung des Tatzeitpunkts konnte ein 28-jähriger Zeuge beitragen. Er gab an, zwischen 21 und 21.30 Uhr von einem Dart-Ligaspiel nach Hause gekommen zu sein. Da habe er die Angeklagte am Straßenrand sitzen sehen. Sie sei "auf "Gott und die Welt" sauer gewesen und habe sich als "heulendes Elend" präsentiert. Der Zeuge hatte die Angeklagte sogar mit zu sich nach Hause genommen, um sie etwas zu beruhigen. Er habe ihr einen Kaffee gekocht und sie nach etwa einer Stunde in ihre Wohnung gebracht.
Kein Motiv erkennbar
Staatsanwalt Florian Losert verlas das Plädoyer seines Kollegen. Für ihn stand fest, dass die 22-Jährige "völlig blindwütig" mit einem Küchenmesser auf einen schlafend im Bett liegenden Mann eingestochen habe. Neun Stich- und Schnittverletzungen habe sie ihm zugefügt. Ein nachweisliches Motiv war für die Staatsanwaltschaft nicht erkennbar, aber die Frau habe die Tat in der Hauptverhandlung offen eingeräumt. Für Staatsanwalt Losert drängte sich die Frage auf, ob die Angeklagte den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen hatte. Er räumte ein, dass die Frau zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert war.
Ein Test habe einen Wert von 2,50 Promille erbracht. Damit müsse von einem bewussten Vollrausch ausgegangen werden. Nachdem die Angeklagte einschlägig vorbestraft ist, komme keine Bewährung mehr in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hielt eine vierjährige Haftstrafe für tat- und schuldangemessen.
Rechtsanwalt Karsten Schieseck sah keinen Tötungsvorsatz seiner Mandantin. Von den neun Stich- und Schnittwunden seien acht "absolut oberflächlich" gewesen. Das Geschehen habe in jener Nacht eine dynamische Entwicklung genommen, die die Angeklagte nicht mehr steuern konnte. Schieseck legte die Freiheitsstrafe in das Ermessen des Gerichtes und forderte, die gegenwärtige Therapie ohne Unterbrechung fortzusetzen.