Im Plastikmeer - dabei wollte ich doch nur Grünkohl kaufen!
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, Freitag, 15. Januar 2021
Eigentlich wollte ich ein Rezept mit Grünkohl kochen und steuerte einen Supermarkt an. Außer Grünkohl sollte auch noch Suppengemüse, Lachsforelle und Käse in den Einkaufskorb. Angekommen in der Obst- ...
Eigentlich wollte ich ein Rezept mit Grünkohl kochen und steuerte einen Supermarkt an. Außer Grünkohl sollte auch noch Suppengemüse, Lachsforelle und Käse in den Einkaufskorb.
Angekommen in der Obst- und Gemüseabteilung. Vorbei an in Plastik verpacktem Suppengemüse, Salat, Paprika, Tomaten, Bohnen und so weiter, fand ich leider keinen Grünkohl. Beim verpackten Suppengemüse dachte ich an meinen vollen Gelben Sack zu Hause und ließ es in der Auslage liegen. Weiter zum Käse, mittelalter Gauda, sechs Scheiben, fein säuberlich in Plastik verpackt, dazu noch Trennpapiere zwischen den Scheiben. Ich entschied mich für ein Stück Gauda, zwar auch in Plastik verpackt, aber ohne Trennpapier - das Schneiden der Scheiben traue ich mir selber zu! Schwierig, das mit der Lachsforelle - selbstredend in Scheiben auch in Plastik verpackt. Eine Fischtheke gibt es in diesem Supermarkt nicht.
Jeder Deutsche produziert laut Umweltbundesamt pro Jahr 107 Kilo Verpackungsmüll, kein Wunder bei diesem Angebot.
D och was steckt eigentlich drin in diesen Plastikverpackungen? Ich gebe zwei Beispiele: zum einen die Klebstoffe. Gerade bei wiederverschließbaren Verpackungen spielen Klebstoffe eine große Rolle - zum Beispiel bei Fleisch- und Wurstwaren sowie bei Käse in Scheiben. Bei wiederverschließbaren Verpackungen können mehr Stoffe von der Verpackung ins Lebensmittel übergehen, als bei nicht wiederverschließbaren Verpackungen vergleichbaren Typs. Zum anderen Weichmacher (Phthalate): Phthalate sind chemische Verbindungen, die als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt werden. Bestücker von Frischetheken im Handel benutzen zum Verpacken von Frischfleisch PVC-Folien, in denen sich Phthalate befinden.
Die Liste ließe sich erweitern mit dem Verpackungsstoff Bisphenol A und unbeabsichtigt hinzugefügte Substanzen (NIAS). Die Frage ist die der "Migration", das heißt, wie viel dieser Stoffe in das Lebensmittel gelangen können und wie gesundheitsschädlich, wie zum Beispiel krebserregend diese Stoffe sind. Bei Verpackungen aus Glas und Porzellan (Milch, Joghurt) findet diese Migration übrigens nicht statt.
J etzt ist Plastik nicht nur allgegenwärtig, es hält auch ewig. Es liegt und schwimmt in gewaltigen Mengen in der Natur umher. Die Produktion von Plastik steigerte sich von zwei Millionen Tonnen 1950 auf rund 300 Millionen Tonnen im Jahr 2014. 30 Prozent der Kunststoffe werden für kurzlebige Wegwerfprodukte eingesetzt, also auch für die Verpackung von Lebensmitteln. Micro- und Nanoplastik finden sich in unseren Süßgewässern mittlerweile häufiger als Fischlarven. Das liegt unter anderem daran, dass selbst moderne Kläranlagen es nicht vermögen, Mikroplastik aus Abwässern zu filtern. Es handelt sich um Plastik, das aus unseren Waschmaschinen dringt - durch das Reinigen unserer Kleider, in denen synthetisch Fasern erhalten sind. Außerdem um Polyethylen-Kügelchen, die aus Pflegeprodukten wie Duschbädern oder Peelingcremes stammen. Es gibt bald keinen Ort mehr auf unserem Planeten, der frei von Plastik ist. An Land, in Gewässern, Polregionen oder Tiefsee. Überall kann Plastik nachgewiesen werden.
Noch gibt es keine langlaufenden Studien darüber, wie schädlich Plastik für den menschlichen Organismus ist. Sicher ist allerdings, dass Plastik mittlerweile überall enthalten ist, also auch in unserer Nahrung.
E s gibt Alternativen, um plastikfrei einzukaufen. Ich nenne da zum Beispiel den "Unverpackt Laden" in der Luitpoldstraße in Bamberg (https://unverpackt-bamberg.de). Meinen Grünkohl fand ich schlussendlich selbstverständlich unverpackt bei einem Bamberger Gemüsegärtner.
B evor ich wieder darüber rätsele, wie viel Chemie in der Verpackung und damit in meinem Essen steckt, kaufe ich lieber lose Ware.
Gartenpädagoge René Paetow hat zahlreiche Schulgärten in Stadt und Landkreis aufgebaut. Der 53-Jährige lehrt auch an der Uni Bamberg. Seine Kolumne erscheint regelmäßig im FT.