"Ich war hilflos und ganz alleine"
Autor: Helmut Will
Haßfurt, Donnerstag, 21. März 2019
Monica Gomes erzählt, was sie als Kind erleben musste. Jetzt hat sie eine Perspektive.
Eine glückliche Kindheit hatte sie wirklich nicht. Sie war für sie eher die Hölle. Die heute 43-jährige Frau wurde um ihre Kind- und Jugendzeit beraubt - und das von ihren eigenen Eltern. "Ich wurde in meiner Kindheit von meinen Eltern gequält, eingesperrt und körperlich misshandelt", sagt Monica Gomes, die heute in Haßfurt lebt.
Spurlos ging das nicht an ihr vorüber. Ab ihrem siebten Lebensjahr kann sie sich bewusst an die für sie quälende Zeit erinnern. Sie musste dieses Martyrium noch weitere zehn Jahre erleiden. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr bestimmten ihre Eltern, Gastarbeiter aus dem südwestlichen Europa, ihren gesamten Tagesablauf. Sie wurde eingesperrt, musste stundenlang sitzen bleiben, hatte keine Privatsphäre, musste sich von bestimmten Bekannten antatschen lassen, erlebte ständig psychischen Druck, der zu Depressionen und einer Agoraphobie infolge einer unglücklichen Kind- und Jugendzeit führte. Agoraphobie bedeutet für Betroffene die pure Ausweglosigkeit in einem eingesperrten Leben, geprägt von gravierenden Situationsängsten im täglichen Leben.
Betroffene, so auch Monica Gomes, erleben Ängste vor Orten und Situationen, an denen sie befürchten, keinen Ausweg oder Hilfe zu bekommen. 16 längere Klinikaufenthalte hat die junge Frau seit dem Jahr 2007 hinter sich bringen müssen, erlebte, wie sie sagt, "einen Tanz der Gefühle." Erst im Jahr 2007 erkannte man ihre Krankheit.
Sie war in Angststarre und Dissoziation verfallen. Das bezeichnet das teilweise bis vollständige Auseinanderfallen von psychischen Funktionen, die normalerweise zusammenhängen. "Als Kind dachte ich, das müsse so sein, ich musste viel weinen und empfand das als normal", erläutert Monica Gomes, die damals in einem anderen Bundesland gelebt hat. "Mir war damals überhaupt nicht klar, warum manche Kinder fröhlich lachten, ich hingegen nur betrübt war und weinte."
In ihrer Schulzeit hat sie sich an den Vertrauenslehrer ihrer Schule und an das Jugendamt gewandt. "Man glaubte mir nicht, ich war hilflos und ganz alleine gelassen", sagt die 43-Jährige betrübt.
Trotzdem hat die intelligente Frau zunächst ihren Weg gemacht. Sie legte das Abitur ab, studierte Architektur. "Zwei Jahre konnte ich in Vollzeit meinen Beruf ausführen aber dann schränkten mich die Ängste derart ein, dass ich meine Arbeit aufgeben musste."
Auch in Teilzeit scheiterte sie. Sie sagt: "Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie ich das Studium durchstand." Ihre Ehe scheiterte an ihrer Krankheit.