"Ich habe mein Leben gemeistert"
Autor: Ulrike Langer
Haßfurt, Sonntag, 24. Februar 2019
Gretel Brehm aus Haßfurt feierte ihren 102. Geburtstag. Sie kann viel erzählen.
"Ich wollte niemals von anderen abhängig, sondern immer selbstständig sein. Und so habe ich mein Leben gemeistert", sagt Margareta "Gretel" Brehm aus Haßfurt. Sie feierte am Samstag ihren 102. Geburtstag zusammen mit Verwandten und Freunden in der "Martinsklause" in Ziegelanger.
Im Kaiserreich während des Ersten Weltkriegs als Margareta Diedrich in Trier geboren, hat die Jubilarin erlebt, wie sich die Welt in den vergangenen 102 Jahren verändert hat. "Ich kann mich an fast alles erinnern, denn ich habe ein gutes Gedächtnis", erzählte sie.
Aufgewachsen ist sie in einer richtigen Großfamilie mit zehn Geschwistern. "In unserer Familie war immer etwas los", so Gretel Brehm, die früher als Kind auch ganz selbstverständlich mit den Brüdern Fußball spielte. Aus der Zeit der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg ist ihr Folgendes in Erinnerung geblieben: "Meine Mutter sagte einmal 1923 zu uns Kindern: ,Wenn ihr brav ins Bett geht, bekommt ihr 100 Reichsmark.' Da waren wir alle stolz, so viel Geld zu erhalten. Dabei war es gar nichts wert!" Immerhin kostete damals im Juni des Jahres 1923 ein Ei schon 800 Reichsmark.
Dass ihr Vater schon recht fortschrittlich eingestellt war, beschrieb die Jubilarin folgendermaßen: "Die älteren Geschwister mussten im elterlichen Weingut arbeiten und hatten dort ihr Auskommen. Wir Jüngeren aber durften beziehungsweise sollten alle einen Beruf erlernen, um uns selbst ernähren zu können."
Im Weingut mitgeholfen
In den Ferien aber arbeiteten alle Kinder im Weingut und Gretel Diedrich nahm ihrem Vater gerne die Schreibarbeiten ab. "Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet", berichtete sie. "Als dann eines Tages ein Ingenieur meinem Vater Geld dafür bot, damit ich in seinem technischen Betrieb arbeitete, hat er nur gelacht. Er wollte mich nicht verkaufen und ich wollte dort nicht arbeiten. Aber dieser Ingenieur hatte wohl gedacht, dass man mit Geld alles kaufen kann."
Ihr Vater hatte für die Kinder auch feste Regeln aufgestellt und erklärt: "Wer eine höhere Schule besucht, muss intensiv arbeiten, sonst geht es wieder zurück." So war es Gretel Diedrich vergönnt, nach der Volksschule das Lyzeum der Ursulinen zu besuchen und 1937 ihr Abitur abzulegen. Zur Vorbereitung auf das angestrebte Studium zur Volksschullehrerin arbeitete sie ein halbes Jahr in einem Kindergarten in Konstanz. Nach zwei Semestern an der Hochschule in Konstanz brach sie allerdings ihr Studium ab und arbeitete im Büro einer Essig- und Senffabrik in Trier.
1944 heiratete sie den Studenten Lorenz Brehm aus Bamberg, der in Trier als Soldat stationiert war, und zog mit ihm zu seinen Eltern nach Bamberg. Den Eheleuten war jedoch nur eine kurze gemeinsame Zeit gegönnt. Denn Lorenz Brehm wurde wenige Wochen später in Russland als vermisst gemeldet und kam nie wieder nach Hause.