Druckartikel: "Ich bring dich sowieso gleich um"

"Ich bring dich sowieso gleich um"


Autor: Udo Güldner

Bamberg, Mittwoch, 11. November 2020

Nach einem Angriff auf seine Freundin kommt ein 20-Jähriger mit einer Geldstrafe davon.
Würgeattacken ihres Freundes musste sich eine 18-jährige Frau erwehren.  Symbolbild: peerayot/adobestock.com


Ein desillusionierter Jugendrichter, zwei Polizisten, die ein Problem mit der Wahrheit haben, und eine Hauptbelastungszeugin, die ihre Aussage sogar beeiden musste. Nach zwei Verhandlungstagen ging ein ungewöhnlicher Prozess am Amtsgericht Bamberg zu Ende. Er handelte von häuslicher Gewalt, Unfallflucht und verbotenen Videoaufnahmen.

Kurz nach zwei Uhr nachts ist es, als das Pärchen, nennen wir sie Jonathan (20) und Jennifer (18), von einer Bekannten zu Jennifer nach Hause gebracht wird. Auf dem Ebinger Seefest 2019 hat insbesondere Jonathan es sich gut gehen lassen. Als er in betrunkenem Zustand ins eigene Auto steigen will, um zu sich heimzufahren, gibt es vor der Türe Streit: "Er schrie mich an, drückte mich gegen die Wand und würgte mich kurz." Hernach schleudert er Jennifer zu Boden und zerrt sie ins Badezimmer.

Drinnen eskaliert die Situation noch einmal. Sie fleht ihn an, sie loszulassen. Er antwortet: "Nee, ich bringe dich ja sowieso gleich um." So etwas habe er bis dahin nie zu ihr gesagt. Nur mit heftigen Stößen ihres Ellenbogens kann sich Jennifer der erneuten Würgeattacke erwehren. "Ich weiß gar nicht mehr, wie ich rausgekommen bin."

Unfallflucht mit 1,6 Promille

Es gelingt Jennifer, ihre Bekannte anzurufen, damit diese zurückkommt. Zu zweit flüchten sie vor Jonathan, der ihnen mit quietschenden Reifen nachfährt. Erst an einer Tankstelle können sie ihn abhängen. "Sie hat geweint. Man konnte gar nicht richtig mit ihr reden."

Wenige Minuten später wird Jonathan die Kontrolle über sein Fahrzeug verlieren. Ein Gartenzaun und eine Straßenlaterne bleiben dabei auf der Strecke. Jonathan aber hält nicht an - zumindest bis die Polizei auftaucht. Sie stellt bei der Festnahme des Unfallflüchtigen 1,6 Promille Blutalkohol fest. Am Amtsgericht Bamberg wird Jonathan im Herbst 2019 eine Geldstrafe von fast 1900 Euro zahlen müssen. Der Führerschein ist weg, wieder einmal.

Einige Monate später, kurz vor Weihnachten 2019, ist es Jonathan, der die Staatsmacht zur Hilfe ruft. Lange nach ein Uhr nachts soll eine Gruppe junger Männer ihm an einem Bahnhof im Landkreis aufgelauert und ihn einen Abhang hinuntergeworfen haben. Der Anführer der Gang soll Jennifers Bruder gewesen sein, der Jonathan wegen der häuslichen Gewalt immer wieder Schlimmes angedroht hatte. Als die Streifenbeamten eintreffen, nehmen sie den betrunkenen Jonathan nicht ernst und schon gar keine Strafanzeige auf. Obwohl Jonathan in klaren Sätzen mehrfach eine Bedrohung und Sachbeschädigung anzeigen will und sogar Namen nennt.

Unerlaubt gefilmt

Schließlich greift Jonathan zum Smartphone, um die Untätigkeit der Polizisten zu dokumentieren. Von einer Art Notwehr spricht sein Rechtsanwalt. Damit scheint er Recht zu behalten. Denn sowohl in ihrem schriftlichen Bericht als auch im Zeugenstand behaupten die beiden Polizisten Dinge, die dem gefilmten Geschehen in mehreren Punkten klar widersprechen.

Sie haben wohl angenommen, der anfangs gelöschte Film liege nicht mehr vor. Er konnte von IT-Experten aber wiederhergestellt werden. "Ich hatte Polizisten immer einen Vertrauensvorschuss gegeben", so ein sichtlich erschütterter Jugendrichter Fahr. Vor Jugendrichter Fahr gibt Jonathan das unerlaubte Filmen zu. "Das war eine Dummheit." Den Angriff auf seine Lebensgefährtin aber leugnet er bis zuletzt. Auch wenn es, wie sein Verteidiger Peter Plischke zugibt, "eine schwierige Beziehung mit Hochs und Tiefs" gewesen sei. Der Rechtsanwalt aus Hallstadt wird wegen der Konstellation Aussage gegen Aussage folgerichtig auch einen Freispruch fordern.

Polizisten im Zwielicht

Für die vorsätzliche Körperverletzung, die Bedrohung und die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes muss Jonathan eine im Jugendstrafrecht übliche Geldauflage von 1800 Euro an den Weißen Ring zahlen. Zudem bekommt er sein Smartphone im Wert von etwa 600 Euro nicht mehr zurück, da es Tatmittel bei einer Straftat war. Auf einen von Staatsanwalt Stürmer geforderten Freizeitarrest von zwei Wochenenden verzichtet Jugendrichter Fahr. Die Verletzungen Jennifers sind nicht besonders schwer, und die Taten liegen lange zurück. "Das hat aus erzieherischen Gründen keine Sinn."

Anders sieht es mit vier Terminen bei der Suchtberatung aus. Denn ein Alkoholproblem scheint Jonathan zu haben. Ob die beiden Polizisten wegen uneidlicher Falschaussage ein Problem mit der Staatsanwaltschaft Bamberg bekommen, steht indes noch nicht fest.