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Hunger und Durst nach Mehr


Autor: Redaktion

LKR Coburg, Freitag, 29. Sept. 2017

Der Gott Bacchus schuldete König Midas noch einen Gefallen und gab daher einen Wunsch frei. Midas überlegte nicht lange. "Erhabener Gott", erwiderte er, "wenn ich wählen darf, so lass alles, was ich b...


Der Gott Bacchus schuldete König Midas noch einen Gefallen und gab daher einen Wunsch frei. Midas überlegte nicht lange. "Erhabener Gott", erwiderte er, "wenn ich wählen darf, so lass alles, was ich berühre, zu Gold werden."
Wäre das nicht toll, alles, was man anfasste, zu Gold zu machen?
Doch halt! Als sich Midas hungrig und durstig an den gedeckten Tisch setzte, kam das böse Erwachen: Kaum berührte er das Brot, wurde es zu Gold, trank er einen Schluck aus seinem Becher, hatte er flüssiges Gold im Mund. König Midas drohte zu verhungern und zu verdursten.
Der Mythos will sagen: Geld allein reicht nicht zum Leben.
Der Rummel um die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan zeigt: Es geht auch um den Hunger nach Glück und Liebe, den Durst nach Beachtung und Geachtetwerden.
Ob den die Glitzerwelt erfüllt?
Rettung kommt im Mythos so: Gott war dem Midas gnädig und schickte ihn zum Fluss. Dort sollte er sich reinigen und den Zauber abwaschen. Auch in der Bibel stoßen wir nicht zufällig immer wieder auf Bilder von Hunger und Durst, von Essen und Trinken, von Sehnsucht und Erfüllung. "Seht, es kommen Tage - Spruch des Herrn - da schicke ich den Hunger ins Land; nicht den Hunger nach Brot, nicht Durst nach Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn" (Amos 8,11). Der Glaube ist auf den richtigen Geschmack gekommen an dem, was wahr ist und wahrhaft nährt. "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund hervorgeht", sagt Jesus dem Versucher in der Wüste, der ihn zu einem spektakulären Brotwunder verführen will, um die Massen zu begeistern. Im Evangelium wirkt er schließlich dieses Wunder aus freien Stücken, und es kommt auf diese Worte an: "...und alle aßen und wurden satt." Das heißt nichts anderes: Nur Gott kann unseren tieferen Hunger stillen, und dafür steht die Eucharistie, die eben kein Sättigungsmahl ist, sondern "Vorgeschmack" auf das, wovon es im Schlussgebet der Fronleichnamsmesse heißt: "Sättige uns im ewigen Leben mit dem vollen Genuss deiner Gottheit."
"Ich habe die Speise nicht gefunden, die mir schmeckt!" Franz Kafkas Hauptfigur in einer seiner Erzählungen, der "Hungerkünstler", hat ein Gespür, das ihn lieber mit großen Hoffnungen hungern lässt, als dass er sich mit Banalitäten abfüllen oder mit Konsumgütern vollstopfen ließe. Unbeirrbar treu seinem Geschmack bleibt er auf der Suche nach dem, was wirklich sättigt, findet es jedoch nicht in der Welt.
Die Hl. Mechthild von Magdeburg hat das paradoxe Wort geprägt, wir würden in der Hl. Kommunion "gesättigt mit dem ewigen Hunger". Wie der "Hungerkünstler" sollen wir also sein, Menschen, die sich nicht abspeisen lassen mit frommen Floskeln und religiösen Fertiggerichten, sondern heißhungrig bleiben auf das, was Gott allein zu geben vermag.
Im Land Ihrer Majestät der Queen bietet nun ein neuer Internetdienst geweihte Hostien per Post an. Wer will, kann zu Hause ganz für sich allein im stillen Kämmerlein oder im Kreise seiner Lieben das christliche Abendmahl feiern. "Post the Host" (Verschick die Hostie) heißt dieser Service einer kleinen religiösen Gemeinschaft. Über den Sinn dieses "Dienstes" soll sich jeder seine Meinung bilden!
Am Fronleichnamsfest sagen jedenfalls Katholiken in aller Öffentlichkeit, dass sie bereits eine Speise gefunden haben, die satt und zugleich hungrig macht. Mit der Prozession drücken die Gläubigen ihre Ehrfurcht und Liebe zu Jesus aus: Wenigstens einmal im Jahr soll die Welt anschaulich daran erinnert werden, dass alles auf Erden dem Herrn gehört. So wie früher ein König auf einer Sänfte durch sein Herrschaftsgebiet getragen wurde, so wird der lebendige Jesus unter einem Baldachin getragen und mit der Monstranz gezeigt.
Und so kann es durchaus sein, dass da auch mal jemand von den Zuschauern einen neuen Anstoß bekommt, es noch einmal mit dem eigenen Glauben zu versuchen - live.

Diethard Nemmert ist Ständiger Diakon in der Schlosskuratie Mitwitz.