Druckartikel: Horror mitten in der Nacht

Horror mitten in der Nacht


Autor: Michael Busch

Erlangen, Montag, 11. März 2019

Es ist ein Horrorerlebnis, vor dem viele Taxifahrer Angst haben: allein mit einem Fahrgast zu sein, der plötzlich das Geld des Fahrers haben will. Das Geld ist eines, aber es geht auch um das eigene Leben.
Im Schronfeld erfolgte der Überfall. Eine ruhige Gegend in Sieglitzhof, erst recht nachts um drei Uhr.  Fotos: Michael Busch/Opfer


Michael Busch "Keinen Namen", bittet der Erlanger Taxifahrer. Er ist einverstanden, dass er als Martin in der Zeitung auftaucht. "Aber bitte nicht mehr, wer weiß, was der Mann macht, der mich überfallen hat." Die Angst sitzt tief. An die Nacht erinnert sich der 50-Jährige, der seit rund 20 Jahren Taxi fährt, noch gut.

Am Faschingssamstag stieg ein Fahrgast am Erlanger E-Werk gegen 3 Uhr nachts in den Wagen ein. Einen Schal um den Kopf geschlungen, so dass der Gast wie ein "Tuareg" aussah. "Ich sah die Augenpartie, mehr erst einmal nicht." Herauszufinden, wohin der Fahrgast wollte, sei ebenfalls nicht einfach gewesen. Kein Deutsch, schlechtes Englisch - irgendwo in Sieglitzhof wolle er hin. "Nach Bruck", habe ich zunächst verstanden, das ist von Sieglitzhof allerdings deutlich entfernt.

Mulmiges Gefühl

"Zum Brückenpaulus?", fragte Martin, was der Mann bejahte. Dort angekommen ging es in das Schronfeld. Eine Sackgasse, auf der einen Seite nur Acker, am Ende ein Pfosten in der Straße, der eine Durchfahrt Richtung Innenstadt für ein Auto versperrt. Martin starrt beim Erzählen ins Leere, zu nahe ist das Erlebte. "Er murmelte was von Geld, ich nahm an, dass er nicht bezahlen wollte - ich hatte ein mulmiges Gefühl." Das habe er immer mal, gerade, wenn sich Männer direkt hinter ihn als Fahrer setzen. Bisher ist nie etwas passiert.

Der gestandene Fahrer hätte auch nie gedacht, dass er sich wegen posttraumatischer Störungen aufgrund solch eines Vorfalles mal krankschreiben lassen werde. Dabei zeigen Statistiken, dass es immer wieder zu Übergriffen kommt. Die Taxistiftung Deutschland schreibt: "Im Jahr 2017 wurden 247 Kollegen bei Überfällen und Tätlichkeiten verletzt." Ergänzend heißt es: "Hinzu kommt eine beachtliche Dunkelziffer durch Fälle, die von der Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfasst werden. Festzuhalten bleibt: Praktisch täglich wird ein Taxifahrer in Deutschland auch körperlich Opfer eines Überfalls."

So auch Martin. Denn im ersten Moment dachte er, dass der Mann nur nicht bezahlen will, im Herumdrehen erkannte er aber, dass dieser mit einem Messer herumfuchtelte und offensichtlich seinen Geldbeutel haben wollte. Instinktiv wollte sich der in Not geratene Fahrer erst einmal in Sicherheit bringen. Er konnte aus dem stehenden Auto flüchten und ging davon aus, dass der Täter nun von seiner Idee Abstand nehmen werde. Doch der dachte gar nicht daran, setzte zur Verfolgung an und konnte den ins Stolpern geratenen Fahrer einholen und ihm wieder mit dem Messer drohen.

Völliges Unverständnis und als Blödheit bezeichnet der Vorsitzende der Erlanger Taxigenossenschaft, Bernward Finck, solch einen Versuch. "Es drohen bei einem Raub mit Waffengewalt bis zu fünf Jahren Haft", erklärt er. "Und das für in der Regel 150 Euro, selten mehr, eher weniger, in der Brieftasche eines Taxifahrers." Viel mehr Geld hatte Martin auch nicht dabei.

Am Auto angekommen nutzte er die sich bietende Gelegenheit, griff seinen Geldbeutel und warf ihn in die nahe Wiese, nachdem er den Geldbeutel dem Räuber gezeigt hatte. Dieser lief dem Geldbeutel hinterher, die Möglichkeit für Martin ins Auto zu flüchten, um mit demselbigen den Tatort zu verlassen.

Finck meint dazu: "Wichtig ist definitiv, dass dem Fahrer nichts passiert." Die Erlanger böten durch GPS und das permanente Wissen um den Standort des Fahrzeuges einen relativ guten Schutz, der Fahrer ist im Grunde nie richtig alleine, aber manche Situationen entwickeln sich so schnell, dass der Fahrer besonnen reagieren sollte. "Das Geld, das Auto - alles ersetzbar. Es geht um die Gesundheit."

Fehlende Unterstützung

Das weiß nun auch Martin. Er kämpft aber nicht nur mit der posttraumatischen Störung, er fühlt sich auch von der Polizei im Stich gelassen. Tatwerkzeug und andere Dinge des vermeintlichen Täters wurden in der Nähe des Tatorts gefunden, auch der geleerte Geldbeutel des Fahrers, "aber das wurde nirgendwo veröffentlicht, so dass es vielleicht Hinweise gegeben hätte". Auch die Pressemitteilung fand er irritierend. "Ich habe gesagt, dass es ein nicht deutscher Mensch war, das spielte aber für die Polizei keine Rolle." Die verwies ihn sogar darauf, dass die Redaktionen die Polizeitexte bearbeiten und die Herkunft des Täters streichen müssen.

"Das war bei dieser Mitteilung gar nicht der Fall", erklärt Martin, "das hat die Polizei selber gemacht." Er hadert damit, dass es keine Rolle gespielt hat, dass er nach dem Überfall ausgesagt habe, dass der Mann fremdländisch aussah, einer bestimmten Völkergruppe sogar zuzuordnen. "Wie sollen eventuelle Zeugen gefunden werden, wenn solche entscheidenden Hinweise fehlen?"

Bei Nachfragen bei der Polizei wird ihm erklärt, dass er sich raushalten solle, "man wisse, was man machen müsse". Eine Abbildung des Messers sei zum Beispiel irrelevant, da es viele Messer dieser Art gebe. Martin fühlt sich erneut als Opfer.

Bernward Finck sagt: "Wir haben als Genossenschaft da tatsächlich keinen Plan, was wir machen, da sind Opfer und deren Unternehmer erst einmal gefragt." Es gibt Ausnahmen. Die Taxizentrale Stuttgart führte 1991 die Taxistiftung Deutschland ein, deren Aufgabe es ist, unschuldig in Not geratenen Opfern von Gewaltverbrechen aus dem Taxigewerbe zu helfen und deren finanzielle Not zu lindern.

Martin weiß noch nicht, wie es weitergeht. "Wenn ich wieder Taxi fahren sollte, dann tagsüber, nachts geht momentan gar nicht." Er hat auch Angst, dass der Täter ihn aufspürt, dass der vor seiner Tür steht und ihn attackiert. Zurück ins "normale Leben" wird es sicher noch dauern. Leichter würde es ihm fallen, wenn er das Gefühl bekäme, dass er und sein Fall von den Behörden ernst genommen werden. Wenn es Hinweise auf das Messer, auf die Tasche, auf die Beschreibung des Mannes gebe, aber all das passe momentan nicht zusammen.