Holprige Irrfahrt bis zum Impfstart
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Montag, 28. Dezember 2020
Die ersten Spritzen müssen warten. Trotz Freigabe und Erklärung von Biontech werden Hunderte Impfdosen verworfen.
"Wir stehen Gewehr bei Fuß", sagt Martin Stingl. Er ist der organisatorische Leiter des Impfzentrums für Stadt und Landkreis Coburg in Witzmannsberg. Dort warten alle gerade darauf, endlich auch mit dem Impfen gegen Covid-19 beginnen zu können - wie im Rest der Bundesrepublik. Doch der Start ist noch ungewiss. Zum Wochenstart überschlagen sich die widersprüchlichen Meldungen. Tatsächlich wurde auch am Montag letztendlich noch keine Spritze gesetzt.
Fristgerecht waren auch hier die ersten Impfdosen angekommen. Doch mit dem Start der Impfung, der am Sonntag hätte sein sollen, wurde es nichts. Unterbrechung der Kühlkette, lautete die Nachricht. Weil in den Transportbehältern wohl nicht immer die geforderte Temperatur von unter minus 70 Grad Celsius geherrscht hatte, konnte das Serum nicht freigegeben werden.
Während überall in Deutschland schon geimpft wurde, waren Ärzte und Helfer in großen Teilen Oberfrankens zur Untätigkeit verdammt - obwohl der Impfstoff da war. Am Montag kam zunächst vom Hersteller Biontech die Aussage, auch eine kurzzeitige Unterbrechung der optimalen Kühlung schade dem Serum nicht, es könne also verabreicht werden. Doch um in Witzmannsberg die ersten Spritzen zu setzen, ist eine offizielle Freigabe durch die Regierung nötig. "Wir starten mit der Impfung, sobald wir einen freigegebenen Impfstoff haben", mehr konnte Martin Stingl daher nicht sagen. Ob das der bereits angelieferte Impfstoff sein würde, oder eine neue noch zu beschaffende Charge, müsse sich zeigen.
Für den bereits ausgelieferten Impfstoff wird die Zeit knapp. Laut Hersteller muss er innerhalb von fünf Tagen verwendet werden. Doch ohne Freigabe können die Impfzentren keine Anmeldungen von Impfwilligen entgegennehmen. Daher ist bisher auch die Homepage des Impfzentrums in Witzmannsberg nicht freigeschaltet gewesen. "Wir werden sie aktualisieren, sobald wir konkrete Informationen geben können", versichert Martin Stingl.
Dann kam zunächst die erlösende Nachricht: Nach der Panne gab es nun auch für Oberfranken den offiziellen Startschuss, meldete die Deutsche Presseagentur am Montagmittag. Die herstellende Firma habe die Qualität der Impfdosen bestätigt und die Dosen freigegeben, teilte die Bezirksregierung laut dpa mit. Ein Sprecher bestätigte dpa, dass die Impfungen noch am Montag anlaufen sollten.
Auf Nachfrage am Impfzentrum stellte Martin Stingl klar: "Wir haben keine Freigabe und heute, Montag, wird nicht mehr geimpft." Näheres folgte in einer Mitteilung, auf die sich die Landräte der betroffenen Kreise in Oberfranken verständigt hatten. Darin heißt es, Staatsministerin Melanie Huml habe den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten mitgeteilt, dass noch am Montag eine weitere Lieferung erfolgen werde.
Der Unbedenklichkeitserklärung von Biontech trauen die Landräte aber offenbar nicht. "Nach der nun vorliegenden Stellungnahme des Impfstoffproduzenten waren für uns noch einige Punkte klärungsbedürftig, weshalb in den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten die gestern eingegangenen Impfdosen nicht verwendet werden", heißt es in der Mitteilung der Landräte. Der Impfstoff wurde vom Gesundheitsministerium und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wohl als tauglich eingestuft. Da jedoch ein Restzweifel bestehe, wird die Charge vom Sonntag nicht verwendet. In einer aktualisierten Mitteilung wurde später informiert: "Dieser ,problematische‘ Impfstoff wird zurückgeholt, fachlich nochmals geprüft und neu bewertet. Sollte das Ergebnis positiv sein, wird der Impfstoff schnellstmöglich verwendet."