hinaus, dem Stress davon
Autor: Sarah Seewald
Forchheim, Mittwoch, 13. Dezember 2017
Das Gemaule von Kindern ist manchmal laut, wenn es mit der Familie in den Wanderurlaub geht. Ein paar Jahre später sieht es oft anders aus. Die Begeisterung für Klettersteige, Gipfelkreuze und Hüttenjause haben mittlerweile auch Jüngere für sich entdeckt - ohne Eltern versteht sich.
Sarah Seewald
Lieber über Stock und Stein als "chillend" am Strand? Lieber nach dem Urlaub drei Kilo weniger auf den Rippen und Bewegung an der frischen Luft statt Völlerei am All-Inclusive-Buffet? Dieser Eindruck entsteht, wenn man die Ergebnisse des Deutschen Tourismusverbands (DTV) betrachtet. Von 69,1 Millionen Urlaubsreisen ab fünf Tagen suchten 28,9 Prozent der Deutschen Erholung in der Heimat. Davon wiederum reisten 18,3 Prozent am liebsten nach Bayern. Es locken Höhenwege, regionen-typisches Essen, Seen - die Natur. Angelockt von Idylle und Nervenkitzel in der Höhe werden lange nicht mehr nur Senioren.
Laut einem Meinungsforschungsinstitut und der Ergebnisse des DTV für das Jahr 2015 sehnen sich Urlauber vor allem nach Kultur (58 Prozent), direkt gefolgt vom "Aufenthalt in der Natur" (55), Spazierengehen (35) und typische Speisen und Getränke genießen (32). Wandern schafft es mit 28 Prozent auf Platz 7 der gewünschten Reiseaktivitäten. Laut der Studie "Der deutsche Wandermarkt 2014" bezeichnen sich 69 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung als aktive Wanderer. Und zwar nicht nur am 1. Mai oder Herren-Tag.
Seit Kindesalter in den Bergen
Einer, der sich auf jeden Fall als solcher bezeichnen kann, ist Harald Keiling - seit über 40 Jahren Mitglied im Deutschen Alpenverein (DAV), Sektion Bamberg. Seit seinem dritten Lebensjahr ist er immer wieder im Gebirge unterwegs. Anfangs mit den Eltern, jetzt oft auch in seiner Rolle als Fachübungsleiter im Bereich Aus- und Fortbildung. Seinen ersten "3000er", die Schere, einen Aussichtsgipfel im Großglocknergebiet, hat er mit sechs Jahren bezwungen - und das Erlebnis nicht vergessen. Die größte Zielgruppe sind laut Wandermarkt nach wie vor Frauen und Männer zwischen 50 und 65 Jahren sowie Senioren. Wandernde beziehungsweise wallfahrende Promis wie Hape Kerkeling oder Reese Witherspoon, die 2014 in der Rolle als Cheryl Strayed in "Der große Trip" über die Leinwände gepilgert ist, befeuern dem Anschein nach seit ein paar Jahren auch bei Jüngeren die Motivation, mit Rucksack und Wanderschuhen loszuziehen.
Verliebte Paare in den Bergen
Unabhängig davon ist Kristina Röder seit ein paar Jahren regelmäßig in den Bergen unterwegs und trifft dort "immer mehr junge Leute, vor allem viele verliebte junge Paare", sagt sie. Auch "Pilgern unter den Jugendlichen ist im Trend", mit Hape Kerkeling habe das aber für sie weniger etwas zu tun. Auslöser für ihre Bergbegeisterung waren nicht etwa Familienurlaube, sondern ein Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur in einem Outdoor-Erlebniszentrum in Südafrika. "Man muss nicht von Kindesalter an wandern", sagt die 23-Jährige, die sich direkt nach ihrem Auslandsaufenthalt bei der Jungmannschaft des DAV gemeldet und die notwendigen Kletterscheine gemacht hat. Seit gut einem Jahr darf sich Röder Wanderleiterin nennen. In dieser Rolle ist sie speziell für die Tourenplanung für Jugendliche mitverantwortlich. Aus Erfahrung weiß sie: "Man ist als Jugendlicher doch risikobereiter." Deshalb ist es ihr besonders wichtig, den Jugendlichen ein "Bewusstsein für die Gefahren" zu vermitteln. "Es kann aber auch mal helfen, wenn man nicht vor allem Angst hat", sagt Röder. Für sie liege der Reiz in der Kombination aus sportlicher Herausforderung und der Nähe zur Natur: "Man wandert nicht einfach drauf los. Ich möchte viel über die Berge wissen."
Wer sich in seinem Urlaub für Wandern entscheidet, lässt sich laut der "Wandermarkt"-Studie aber auch zunehmend von der Sehnsucht nach "Stress abbauen", "frische Kraft sammeln", oder "zu sich selber finden" leiten. Laut Techniker-Krankenkasse fühlen sich vor allem Männer und Frauen zwischen 30 und 39 Jahren gestresst. Abgesehen von allen Erhebungen und Theorien und unabhängig vom Alter der Bergsportler - für die 23-Jährige steht fest: "Der Spaß steht vor der Leistung." Röder erklärt, welche Konsequenz man dadurch möglicherweise kurzfristig unterwegs ziehen muss. Wenn die gemeinsame Pause länger dauert und die Brotzeit einfach zu gut schmeckt, muss die Strecke im Ernstfall eben umgeplant werden. Ob beim Pause machen oder vor einem Grat - in jeder Situation gilt: "Auf das Bauchgefühl hören."