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Hier spielen Blinde Tischtennis


Autor: Sonny Adam

Kulmbach, Freitag, 16. Oktober 2015

Sport  Im Jugendzentrum "Alte Spinnerei" steht jetzt ein Showdown-Tisch, an dem Sehbehinderte ihren Spaß haben. Bei der Präsentation zeigten Mandy Herrmann und Simon Bienlein, wie man sich am Geräusch orientiert.
Simon Bienlein (31) kommt aus Weismain und spielt seit über zwei Jahren Blinden-Tischtennis. Dass er das beherrscht, bewies er am neuen Showdown-Tisch im Jugendzentrum "Alte Spinnerei". Fotos: Sonja Adam


von unserer Mitarbeiterin Sonja Adam

Kulmbach — Mandy Herrmann ist 33 Jahre alt. Die Kronacherin hatte im Alter von 20 Jahren einen schweren Unfall und sieht seitdem nichts mehr. Am sogenannten Showdown-Tisch, an dem Blinde und Sehbehinderte spielen, hat sie ihren Spaß. Sie vertraut ihrem Gehör: "Blinde nutzen die verbleibenden Sinne besser", sagt die junge Frau, die auch im Kulmbacher Jugendzentrum "Alte Spinnerei" auf ihre Kosten kommt: Denn dort steht jetzt ein Showdown-Tisch.
Bei dessen Präsentation ist es ziemlich ruhig. Nur vereinzelt reden Zaungäste, die noch keine Erfahrung mit dem Spiel Showdown haben. "Reden oder laut sein, das darf man nicht, denn das irritiert", sagt Mandy Herrmann, die sich aber nicht stören lässt. Mit einem beherzten Schlag bringt sie den gelben Ball ins Rollen. Wie beim Billard schlägt der an die Bande im eigenen Feld. "Das ist wichtig, wenn man Aufschlag hat", erläutert die Kronacherin, die beim Blinden-Tischtennis schon einmal Siebte bei den Bayerischen Meisterschaften war.


Gehör hilft bei der Orientierung

Der Ball mit einem Durchmesser von sechs Zentimetern rollt unter dem Hindernis hindurch ins gegnerische Feld. Am anderen Ende des Tisches wartet mit Simon Bienlein (31) ein Showdown-Profi. Er tut alles, damit die gelbe Kugel nicht in sein Tor geht. Doch einfach nur das Tor mit dem Schläger zu verstellen, das ist nicht erlaubt.Wie Mandy Herrmann mitteilt, muss man sich am Geräusch orientieren, das die Kugel macht. Je nachdem, ob er das Anstoßen der Kugel an der Bande hört oder nicht, wisse der Spieler, ob sich diese schon in der eigenen Hälfte befindet. "Nähert sich die Kugel, schlägt man nach Gefühl mit dem Schläger dorthin, wo diese ankommt."


Kein Schlag geht ins Leere

Mandy Herrmann und Simon Bienlein kennen das Spiel und treffen. Kein Schlag geht ins Leere. Die Kronacherin, die für das Showdown-Spiel bis dato nach Nürnberg fahren musste, freut sich, dass jetzt ein Tisch in Kulmbach steht. Denn nun hat sie die Möglichkeit, regelmäßig zu trainieren "Ich komme garantiert öfters", sagt sie.
Auch Simon Bienlein (31) aus Weismain will in die "Alte Spinnerei" kommen, auch wenn er derzeit in Nürnberg lebt. "Immer, wenn ich meine Eltern besuche, schaue ich vorbei", verspricht der 31-Jährige, der weiß, dass beim Showdown das Reaktionsvermögen geschult wird. Er spielt schon seit mehr als zwei Jahren und gibt dem Ball die richtige Geschwindigkeit. Er braucht keine halbe Minute, schon hat er diesen im gegnerischen Tor versenkt.
"Wir haben extra einen Standort für den Showdown-Tisch gesucht, der mitten in Oberfranken liegt", sagt der Bezirksgruppenleiter des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes, Manfred Voit. "Der Standort für solch eine Trainingsmöglichkeit soll bahnhofsnah liegen, möglichst in einem öffentlichen Gebäude."
"Für mich war das gar keine Frage, dass bei uns dieser Showdown-Tisch aufgestellt werden kann", stellt Juz-Leiter Stefan Lehner fest und führt an: "Alles, was wir beisteuern mussten, war der Platz." Nicht nur Blinde und Sehbehinderte könnten spielen, auch Menschen, die sehen. "Die setzen einfach eine Brille auf - schon herrscht Chancengleichheit." Gespielt wird bis elf Punkte. Der Sieger muss mindestens zwei Punkte Vorsprung haben. Übrigens brauchen Showdown-Spieler immer einen sehenden Schiedsrichter. "Aber trainieren kann man auch ohne Schiri", sagt Mandy Herrmann.
An der Finanzierung des Tisches, der von einem Schreiner in Hilpoltstein gebaut worden ist, haben sich Sponsoren - darunter auch der Lions-Club Kulmbach-Plassenburg - beteiligt. Gerhard Müller staunt über das Match, und auch Manfred Vollrath von der Frühförderung in der Goethestraße ist begeistert. Bei der Vorstellung versucht auch Raphael Thoma (16) aus Kronach sein Glück. Thoma besucht das Kaspar-Zeuß-Gymnasium zusammen mit Sehenden. "Wenn ich mich nur in einer Welt von Blinden bewegen würde, würde ich nicht so viel erleben", sagt Raphael Thoma, der hofft, auch im Juz Kontakte knüpfen zu können.