Herzogtum schreibt Geschichte
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Donnerstag, 10. Oktober 2019
Coburg startet aufwendige Tourismuskampagne und empfängt das Schwedische Königspaar. Mit der Grenzöffnung rückt die Stadt in den Mittelpunkt Deutschlands.
Adel verpflichtet. Anfang der 80er Jahre erinnert sich Coburg daran und kreiert zusammen mit einer Münchner Werbeagentur einen neuen Slogan: "Herzogtum Coburg". Einer, der fortan für die Vermarktung der Coburger Heiratspolitik brennt, ist Klaus Paskuda, der das Fremdenverkehrsamt der Stadt leitet. "Söhne und Töchter des Coburger Herzoghauses waren mit fast allen Königshäusern in Europa und teilweise Übersee verheiratet. Vielleicht kannte man noch Prinz Albert, den Prinzgemahl der bekannten Queen Victoria aus England, aber ansonsten...?" Er macht es sich zur Aufgabe, Coburg und seine außergewöhnliche Geschichte weit über seine Grenzen hinaus bekannt zu machen.
In neu gestalteten Anzeigen - die königliche Lovestory von Coburg - in Broschüren und auf Plakaten wird auf die einmalige Historie der Stadt aufmerksam gemacht. Ein neuer Messestand wird kreiert und erstmals bei der Internationalen Touristikbörse in Berlin vorgestellt. Die Coburger Historiker starten eine Initiative mit der Herausgabe von Publikationen, die das Herzoghaus in die Mitte der deutschen Geschichte stellt. Yellowpress oder seriöse Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen werden darauf aufmerksam, kommen nach Coburg, berichten darüber.
Bei einem Wettbewerb von Nachwuchsjournalisten, die über das Herzogtum Coburg schreiben sollen, belegt Günther Jauch Platz 3.
"Aus dieser Entwicklung ergaben sich vermehrt Anfragen zu Tagungen und Kongressen; der Individual- und Gruppenreiseverkehr nahm stetig zu", erinnert sich Paskuda. Das Kongresshaus Rosengarten wurde renoviert und umgebaut. 1987 konnte es eingeweiht werden.
Sichtbar wurde das neue Markenzeichen natürlich auch auf Werbemitteln: Schirme, Krawatten, Mützen, Flaschenöffner und Autoaufkleber, alle trugen das Emblem "Herzogtum Coburg". "Die bayerische und bundesdeutsche Fremdenverkehrsbranche schaute nach Coburg, was sich da tat. Coburg wurde ein Paradebeispiel für neuzeitliche Werbung", sagt Klaus Paskuda voller Stolz. Die ersten fremdsprachigen Prospekte in Englisch, Französisch, Flämisch, Italienisch und Japanisch wurden gedruckt, das Coburger Land mit Herzogtum-Radwegen touristisch erschlossen. Erste Herzogtum-Loipen wurden in Neukirchen und auf den Bergdörfern eingeweiht. Mit der Isle of Wight wurde eine 1983 die Städtepartnerschaft begründet.
Aber was wäre eine solche Kampagne ohne rote Teppiche gewesen? Ausgerollt wurden sie für die belgische Königsfamilie (1981), das schwedische Königspaar (1982) und Prinz Charles (1987). "Eine riesige Medienwelle schwappte über die Region. Der Bekanntheitsgrad von Coburg ließ sich kaum noch steigern", resümiert Paskuda. In Zahlen drückt er den Erfolg von "Herzogtum Coburg" so aus: "Die fremdenverkehrswirtschaftliche Wertschöpfung erreichte eine Höhe von etwa 60 Millionen Mark."
Der Slogan "Herzogtum Coburg" hielt sich bis 1994. Nach der Grenzöffnung, in der Ära Norbert Kastner, begann die Zeit von "Werte und Wandel". Die Vestestadt rückte in den Mittelpunkt Deutschlands. Fragen der Zukunft waren wichtiger als Erinnerungen an gute alte Zeiten. Durch die vielen Pendler und die Nähe zu den Menschen und ihren Problemen im Osten kamen neue Herausforderungen auf die Coburger zu. Ein "Herzogtum" passte da nicht mehr zu der jüngsten deutsch-deutschen Geschichte.