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Helfende Hände verbinden


Autor: Rebecca Ricker

Bamberg, Mittwoch, 17. März 2021

Seit März entwickeln Marcel Binzenhöfer und sein Team ehrenamtlich eine App für Nachbarschaftshilfe. Sie verbindet Menschen aus Risikogruppen mit Freiwilligen, die ihren Einkauf erledigen.
"Einen gesellschaftlichen Nutzen stiften": Marcel Binzenhöfer  Fotos: Rebecca Ricker


Es sollte nur ein Wettbewerb sein: Marcel und fünf Kollegen wollten beim bundesweiten Hackathon #WirVsVirus mitmachen; eine Veranstaltung, bei der über 25 000 Teilnehmer über ein Wochenende im März technische Lösungen für Probleme in der Corona-Krise entwickelten. Das Team von Marcel arbeitete am Thema Lebensmittelversorgung. Am Sonntagabend stand ein erstes Design, ein kurzes Erklärvideo für ihre Idee und einer grober Business-Plan. Mit ihrer App kamen sie unter die Top 200 von etwa 1500 eingereichten Projekten.

Nach dem Erfolg wollte die Gruppe weiterarbeiten. "Menschen näher zusammenbringen und einen gesellschaftlichen Nutzen stiften" und "mein Wissen in einem sozialen Projekt sinnstiftend einbringen" - So beschreiben Marcel und sein Kollege Wojta ihre Motivation in den Sozialen Medien. Sogenanntes Social Entrepreneurship, also Unternehmensgründungen, deren Ziel nicht primär Profit ist, seien besonders seit zwei bis drei Jahren häufiger, berichtet Max Dahmer vom IGZ Bamberg, einer Einrichtung von Stadt- und Landkreis. Das werde auch den Arbeitsmarkt verändern: "Durch den Fachkräftemangel gibt es einen großen Konkurrenzkampf um die besten Talente. Hierbei ist zunehmend Geld nicht mehr der zentrale Entscheidungsfaktor. Die Leute wollen einer interessanten und sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen."

Neben dem Job

Das Team von Helping Hands wuchs nach dem Hackathon weiter. Mittlerweile arbeiten etwa acht bis zwölf Mitglieder regelmäßig mit, niemand von ihnen ist älter als 40. Die Gruppe arbeitete vier Monate lang neben ihren 40-Stunden-Jobs bis zu 15 Stunden die Woche an dem Projekt - ehrenamtlich.

Marcel war für den Teamzusammenhalt, die Organisation und das Marketing verantwortlich. Der 29-Jährige ist selbst kein Informatiker, sondern studierte internationale Betriebswirtschaft und Philosophie an der Universität Bamberg.

Bei dem Projekt ging es ihm neben dem Engagement auch darum, sich weiterzubilden: "Ich habe gelernt, wie man ein Produkt von null aufbaut, woran man alles denken muss. Ich musste ein Netzwerk für Marketing und Vertrieb aufbauen. Außerdem habe ich erlebt, wie herausfordernd aber schön es ist, sich um die Zusammenarbeit im Team zu kümmern und als Gruppe zusammenzuwachsen."

Datenschutz und Co.

Neben der Entwicklung der App mussten sie sich um Förderungen bewerben, um rechtliche Rahmenbedingungen wie Nutzungsbedingungen oder Datenschutz kümmern und Netzwerke in die Städte, insbesondere nach Bamberg und Würzburg aufbauen. Die Gruppe wurde von dem IGZ Bamberg und dem Bamberger Startup-Verein gefördert und unter anderem von der Stadt Bamberg und Caritas unterstützt.

Ihr Ziel dabei: Mehr Aufmerksamkeit erzeugen, denn nur so funktioniert die App. Damit das System in Bamberg klappt, müssten sich mindestens 500 bis 1000 Nutzer anmelden (www.helping-hands.app). Im Moment machen etwa 100 Menschen mit, allerdings gibt es ein Ungleichgewicht zwischen den "Heros" (Freiwilligen, die Hilfe anbieten) und den "Homies" (Hilfesuchenden).

Homies können ältere Menschen sein, die ein Smartphone besitzen, aber auch andere Risikogruppen oder Alleinerziehende, die wenig Zeit für den Einkauf haben. Etwa 95 Prozent der angemeldeten Nutzer sind Heros.

"Es ist schwer, um Hilfe zu fragen. Wir versuchen in unserem Marketing klar zu machen: Hilfe annehmen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, danach zu fragen", erklärt Marcel. Er findet: "Man muss mit gutem Beispiel vorangehen und selbst häufiger nach Hilfe fragen, aber auch Familie und Bekannten von Möglichkeiten wie bei Helping Hands erzählen."

Auch Ältere erreichen

Im Moment arbeitet die Gruppe am Marketing und der Verbesserung der aktuellen App. Sie planen zum Beispiel die Einbindung von einer Telefon-Hotline, um ältere Menschen ohne Smartphone zu erreichen. Außerdem entwickeln sie die App mit Hilfe von Umfragen ständig weiter.

Aber auch für die Zukunft nach Corona haben sie Pläne: Eine Idee ist eine allgemeine Nachbarschaftshilfe-App. Dabei könnte man zum Beispiel einen Rasenmäher leihen oder Dienste wie Gassi gehen anbieten. Außerdem überlegen sie, eine Ehrenamtsbörse für Unternehmen einzubinden. Die Idee ist, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern zwei bis drei Stunden Arbeit pro Woche erlassen, in der die Mitarbeiter einem selbst gewählten Ehrenamt nachgehen.

So seien die Mitarbeiter zufriedener, würden sich weiterbilden und sähen mehr Sinn in ihrer Arbeit. Und die Gemeinde profitiert mit.