Heimatgeschichte, gut sortiert
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Donnerstag, 08. Juni 2017
Die Heimatforscher im Landkreis Haßberge stehen vor dem Problem, dass es kein gemeinsames Archiv gibt, in dem ihr gesammeltes Material langfristig aufbewahrt werden könnte. Eine politische Lösung wird angestrebt.
Der Zeiler Ludwig Leisentritt ist Schatzsucher. Nicht die Art Schatzsucher, die mit einem Metalldetektor den Boden nach wertvollen Münzen aus Gold oder Silber absucht. Sondern die Art, die sich durch alte Manuskripte, historische Dokumente, alte Zeitungsausschnitte, Fotos, Chroniken und allerhand sonstiges Archivmaterial wühlt, um eine spannende Geschichte oder Anekdote aus der Vergangenheit aufzuspüren und neu zu erzählen.
Leisentritt ist längst nicht nur Archivar (genauer: seit 1983 ehrenamtlicher Stadtarchivar in Zeil), er ist auch Kurator und Autor. Er sammelt, pflegt und erweitert heimatgeschichtliche Unterlagen. Seine aus seinen Recherchen gewonnenen Erkenntnisse zum historischen Zeitgeschehen fasst er auch erzählerisch zusammen und veröffentlicht sie, zum Beispiel in Anekdotenform im Fränkischen Tag und den anderen Zeitungen im Landkreis. "Ich halte Anekdoten für populärer als historische Abhandlungen", sagt er. Leisentritts Fokus liegt auf der Stadt Zeil, aber auch darüber hinaus hat er etliches Material zusammengetragen. Über zahlreiche Orte im Kreis Haßberge findet man bei ihm Zeitungsausschnitte, Auszüge aus Festschriften, Bilder von vergangenen Veranstaltungen oder zeitgeschichtlichem Geschehen.
"In den Computer geklopft"
Das Material hat er über Jahrzehnte gesammelt, sortiert, historisch eingeordnet, bewertet, Interessantes von Uninteressantem getrennt. "Alles, was wichtig erscheint", sagt er, habe er in sein Archiv aufgenommen. Etliches davon, wie etwa alte Zeitungsseiten, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit nicht kopiert werden dürfen ("Papiertod"), hat er manuell erfasst. "Ich habe das alles in den Computer geklopft", sagt er und schmunzelt, denn es war eine Arbeit, bei der ein anderer ob der Fülle wohl davongerannt wäre. "Ich habe über 1200 Seiten aus dem Fränkischen Tag und dem Haßfurter Tagblatt abgeschrieben", sagt Leisentritt trocken. War halt notwendig.Ihm tun es zig weitere Heimatforscher und Archivpfleger im Landkreis gleich, sie alle bewahren Heimatgeschichte, verwahren sie jedoch nicht: Sie erzählen sie weiter und vor allem machen sie sie öffentlich zugänglich. "Für Familienforschung sind die Archive natürlich unheimlich wichtig", sagt Leisentritt. Ebenso für Journalisten oder Vereine oder Kommunen. "Wir haben ja eine Menge Unterlagen", sagt Christian Blenk, 72, Kreisheimatpfleger aus Kirchaich. Er und seine Kollegen haben das gleiche Problem: Wo sollen all die Dokumente aufbewahrt werden, wenn der Archivar einmal nicht mehr da ist? "Am besten wäre ein Gebäude, wo alles aufbewahrt wird und dass das Gebäude betreut wird", sagt Blenk.
Immer wieder nachbohren
Leisentritt erklärt: "Ich werde im September 80 Jahre alt. Meine Heimatforscher-Kollegen sind nicht allzuviel jünger." Freilich wisse er auch, dass Kommunalpolitiker viele Baustellen haben und die Archivpflege nicht höchste Priorität hat. Zwar hilft es, etwa den Landrat immer wieder darauf hinzuweisen, aber eine Lösung von heute auf morgen erwartet er nicht: "Im Vergleich zu den Sorgen, die er hat, sind das natürlich Petitessen."Sieht die Politik das auch so? Wie wichtig ist die Archivpflege, und sollte man sich nicht langsam darüber Gedanken machen, wie das alles fortgeführt wird? "Die Einschätzung der Heimatpfleger ist korrekt", sagt Thomas Stadelmann, Bürgermeister von Zeil. Und: "Ich habe schon öfter darüber nachgedacht." Einen geeigneten Raum zu finden, sei das eine Problem. Aber auch die Nachfolgerfrage steht immer wieder im Raum. Stadelmann sagt, dass er auch ein wenig darauf hoffe, dass bei einigen Bürgern im Alter das Interesse an Heimatgeschichte zunimmt, so dass sich der eine oder andere dazu entscheidet, diese Arbeit fortzuführen.
Auch, wenn es jetzt noch keine konkrete Lösung dafür gibt, wie die Archive auf längere Sicht gepflegt und möglicherweise zusammengeführt werden können, so sagt Stadelmann über das wertvolle Material des Stadtarchivars Ludwig Leisentritt: "Dass das nicht verloren geht, das verspreche ich."