Druckartikel: Heimat der Biertrinker und Kartler

Heimat der Biertrinker und Kartler


Autor: Klaus-Peter Gäbelein

Herzogenaurach, Freitag, 28. Dezember 2018

Der Gasthof "Gambrinus" mit seinem legendären Wirt "Wari" war früher ein beliebter Treffpunkt der Herzogenauracher.
Der "Gambrinus" - vermutlich in den 1930er Jahren Fotos: privat


Klaus-Peter Gäbelein "Mir habn frieher arch vill Wärdshaiser ghabbd", so schwärmten unlängst einige rüstige Rentner bei einem Gespräch im Steinweg, der guten Stube des Heimatvereins. Und dann sprudelt es nur so aus dem Mund der "Insider" und es wird aufgezählt, wo man noch in den Nachkriegsjahren einkehren, schafkopfen oder sich am Stammtisch gemütlich unterhalten konnte.

Zu den beliebten Gaststätten gehörte der "Gambrinus" in der heutigen Bamberger Straße. Von 1946 bis zum Dezember 1956 schwang hier das Ehepaar Hans und Kuni Wittmann den Kochlöffel und verwöhnte seine Gäste mit bester fränkischer Kost.

"Mein Großvater, der Fischers Gerch (Hausname Preiß), hat als erster diese Gaststätte kurz nach 1900 bewirtschaftet, bevor er sich von der Störcherstraße aus der Landwirtschaft gewidmet hat", erinnert sich Herzogenaurachs bekannter Stadtfotograf Helmut Fischer und erzählt von dem beliebten Gasthaus mit der markanten Kegelbahn parallel zur heutigen Bamberger Straße am nördlichen Stadtausgang am "Hernbuck" (Hirtenbuck). Ab 1946 hat dann Johann (Hans) Wittmann, der "Wari", dort das beliebte Bier aus der Vacher Brauerei Dorn ausgeschenkt. Der Wirt stammte aus einer kinderreichen Familie aus dem Landkreis Neumarkt, erlernte in jungen Jahren "auf der Walz" - also bei verschiedenen Lehrherren - den Metzgerberuf, unter anderem in Nürnberg, und ließ sich nach Kriegseinsatz und englischer Gefangenschaft in Herzogenaurach nieder.

Mit viel Improvisationstalent

Er arbeitete kurze Zeit bei den Amerikanern auf der Herzo Base und übernahm 1946 vom "Danzers Toni" die Gaststätte, die von Anfang an den Namen des legendären angeblichen "Erfinders" des Bieres trug: Gambrivius. Sein Name wurde schlicht und einfach zu Gambrinus, er war angeblich von göttlicher Herkunft und wurde in Böhmen (Pilsen), Deutschland und Belgien als Erfinder des Bieres verehrt. Doch die Herzogenauracher tranken ihr Bier nicht im "Gambrinus", sondern schlicht und einfach beim "Wari", der seinen Haus- und Necknamen von seiner Redewendung her erhalten hatte, die lautete: "Do (für so eine Arbeit, für so etwa) war i (wäre ich) grod recht!"

Auch wenn es anfangs harte Jahre waren, Kuni und Hans Wittmann bissen sich durch. Viel wurde improvisiert, und bisweilen mussten die Auflagen der Verwaltung umgangen werden, wenn es darum ging, "schwarz" zu schlachten oder die Polizeistunde zu übertreten.

Als Herzogenaurach 1949 mit einem Jahr Verspätung wegen der Währungsreform sein 600-jähriges Stadtjubiläum feierte, wurden vom "Wari" 130 Gäste bewirtet. Und als es wirtschaftlich aufwärtsging, war das Gasthaus ein beliebter Treffpunkt für Biertrinker und Kartenspieler. Weil früher jede Gastwirtschaft in der Stadt ihre eigene Kirchweih feierte, luden die Wittmanns ein zur "Hirtenbuck-Kirchweih" (das Haus trug damals noch die Adresse Hirtenbuckstraße 5), außerdem zu Kappenabenden im Fasching, zu Schafkopfrennen, und sie vermieteten den Saal des Gasthauses an "Gflügler" und "Hoserer", also an Geflügel- und Hasenzüchter für deren Sonderausstellungen. Das war jedoch erst möglich, nachdem die im Saal einquartierten Heimatvertriebenen aus dem Egerland nach und nach eigene Wohnungen gefunden hatten.

Kegelbahn statt Fernseher

Und später wurden auch Hochzeiten gefeiert. Mancher US-Soldat heiratete hier sein "German Frollein". Und schließlich wurde im Saal auch eine Musikbox aufgestellt, obwohl der Vater nicht begeistert war von der Musik, die da ab und zu aus der Box ertönte.

Bei Stammtischrunden und Kappenabenden genoss man die Nachkriegsjahre, und bald tischten der "Wari" und seine Kuni auch Kalbsbraten und Bratwürste auf. Und weil damals Gastwirtschaften auch noch gesellschaftliche Mittelpunkte in der Stadt waren, wurde im Gambrinus auch der SC Nord, der Fußballclub der "Nordsternler", gegründet. Daneben wurde die Kegelbahn häufig genutzt, denn einen Fernsehapparat gab es in der Wirtschaft nicht. Die drei Jungs, Paul und die Zwillinge Georg und Konrad, mussten in der Wirtschaft immer mithelfen.

Der Wirtschaft gegenüber standen nach dem Krieg noch keine Mietshäuser. Hier befanden sich noch Bierkeller, die bis hinunter zur heutigen Bergstraße und Noppengasse reichten. Sie dienten im Krieg als Luftschutzkeller und Lagerstätten für die 40-Liter-Bierfässer der Dorn Bräu, die Vater Wittmann umständlich über die Straße rollen musste. Das Gelände bot herrliche und abenteuerliche Spielflächen für die Wari-Buben und die übrigen Jungen vom "Hernbuck", für Versteckspiele, für Räuber und Gendarm und sogar zum Fußballspielen traf man sich hier mit anderen "Hernbüchern", und auch richtige "Schlachten" gegen die "Kalchgrüber" aus der Unterstadt wurden hier ausgetragen, wobei die Hollerbüchsen vom Heydts Andy als unübertroffene "Waffen" eingesetzt wurden.

Umzug nach "Klein Chicago"

Mitte der 1950er Jahre beschlossen die "Wittmänner", ein eigenes Haus mit Gaststätte zu bauen. Am nördlichen Ende der Hans-Sachs-Straße (später Nr. 23) wurde weitgehend in Handarbeit und Eigenleistung ab 1956 die neue Bleibe geschaffen. Manch Herzogenauracher schüttelte den Kopf, denn das Gebiet oberhalb der "Nutzung" und der Baracken, die als Ledigenheime der Firma Schaeffler dienten, hatte nicht den besten Ruf. "Klein Chicago" war noch eine harmlose Bezeichnung für die von den Alt-Herzogenaurachern wenig geliebte Gegend.

Doch die Wittmanns bissen sich durch, die ganze Familie arbeitete im Betrieb mit und bald gehörte die Gastwirtschaft zu den florierendsten und preiswertesten in der Stadt: der Schweinebraten am Sonntag kostete 1,80 Mark, das Seidla Bier - immer noch von der Dorn-Bräu - gab es für 40, später für 50 Pfennige, und die Gaststätte hieß "Hans Sachs" oder schlicht und einfach der "Wari". Nach dem Tode vom "alten Wari" im Jahr 1970 übernahm Georg, ebenfalls gelernter Metzger, zusammen mit seiner Ehefrau Liesl die Gaststätte bis 1989. Danach war Herzogenaurach um eine beliebte Speisegaststätte und einen gemütlichen Treffpunkt ärmer.

Nach dem Auszug der Familie Wittmann versuchten verschiedene Pächter ab 1957 die Gaststätte "Gambrinus" weiterzuführen. 2005 gab es noch einmal einen Versuch durch Georg Reinmann, den "Gambrinus" nach altem Vorbild als Speisegaststätte und Treffpunkt für Kartler zu reaktivieren. Doch das Ganze blieb ein Versuch, ebenso wie eine Übergangsphase mit einem Restaurant mit chinesischer oder italienischer Küche. Seit rund zwei Jahren nutzt der "Verein der Westthrazientürken für gegenseitige Hilfe und Solidarität" die einstigen Gasträume und den Saal als Versammlungs- und Gebetsraum.