Druckartikel: Handwerk attraktiv wie nie

Handwerk attraktiv wie nie


Autor: Katharina Müller-Sanke

Kulmbach, Donnerstag, 23. Juli 2015

Ausbildung  Wie sieht es aus auf dem Lehrstellen-Markt? Die Chance, einen Platz in einem Betrieb zu finden, ist in der Region derzeit gut. Immer noch gibt es offene Stellen. Doch die "beliebten" Plätze sind meist schnell vergeben.


von unserer Mitarbeiterin 
Katharina Müller-Sanke

Kulmbach — Sechs Wochen sind es noch, dann beginnt auch für Hunderte Kulmbacher Jugendliche der viel beschworene "Ernst des Lebens": Sie starten in ihre Ausbildung. Die meisten von ihnen wissen schon seit Monaten in welchen Betrieb es geht. "Die Betriebe schauen sich schon im Herbst nach den Bewerbern für das nächste Jahr um", so der Kreishandwerksmeister Günther Steinglein. Auch er selbst hat es so gemacht und seinen neuen Zimmerer-Lehrling schon vor Monaten eingestellt. Trotzdem haben auch Jugendliche, die sich erst jetzt für eine Ausbildung entscheiden noch Chancen.
Bei der Agentur für Arbeit Bayreuth-Hof sind noch 1178 offene Ausbildungsstellen gemeldet, im Landkreis Kulmbach waren es 184. Die Zahl der Ausbildungswilligen, die sich bei der Arbeitsagentur gemeldet haben, liegt mit 1085 beziehungsweise 124 deutlich darunter. Einer nicht repräsentativen Umfrage unter einigen Kulmbacher Firmen zufolge, sind die offenen Stellen vor allem bei kleineren Betrieben zu finden.
"Unser Auswahl-Prozedere startet jeweils im Oktober des Vorjahres", betont zum Beispiel Helga Metzel von der Kulmbacher Brauerei. Wer sich dann noch nicht für eine Ausbildung im nächsten Jahr entschieden hat, hat keine Chance mehr. In diesem Jahr hat die Kulmbacher Gruppe 21 Auszubildende eingestellt, elf davon in der Kulmbacher Brauerei. Beliebt sind vor allem die kaufmännischen Berufe, Bewerbungen im gewerblichen Bereich sind deutlich weniger.
Auch Kleinunternehmen suchen natürlich gerne frühzeitig, Quereinstiege sind hier aber deutlich leichter möglich. "Schulnoten und Qualifikationen sind nur zum Teil aussagekräftig", so Zimmereibesitzer Stenglein. "Die Einstellung ist entscheidend." Er betrachtet jeden Bewerber ganz individuell und so haben schon Abiturienten und Mittelschüler, ein ausgebildeter Lehrer und viele Weitere zu seinen Lehrlingen gehört.
Derzeit absolviert der 19-jährige Stefan Pietruska sein 3. Lehrjahr als Zimmerergeselle im Unternehmen. "Zimmerer ist mein Traumberuf. Ich hab schon immer gewusst, dass ich etwas Handwerkliches machen will und es sollte etwas sein, wo man an der frischen Luft ist", sagt der Bald-Geselle. Nach einem Praktikum ist der ehemalige Mittelschüler von Stenglein sofort übernommen worden.

Mehr Handwerks-Azubis

Vielen anderen Jugendlichen steht die Erfahrung Lehrstelle und Ausbildung erst noch bevor. Hier entscheiden sich immer mehr für eine Karriere im Handwerk: Insgesamt haben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 897 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag im oberfränkischen Handwerk abgeschlossen. Dies entspricht einem Plus von 5,2 Prozent im Vergleich zum Halbjahr 2014.
Auch das Bauunternehmen Vogel in Unterzettlitz hat seinen Lehrling für September schon. "In diesem Jahr war die Suche nach einem geeigneten Auszubildenden schnell beendet. Im Rahmen eines Schulpraktikums hatten wir das große Glück, einen jungen Mann bei uns zu haben, bei dem die Chemie auf Anhieb gestimmt hat und so haben wir uns bereits im März füreinander entschieden", erklärt Bauunternehmer Heinz Vogel.
Nicht immer geht die Suche so schnell. Grund ist auch, dass Berufe unterschiedlich beliebt sind bei den Ausbildungswilligen. Laut Auskunft der Arbeitsagentur sind bei Jugendlichen vor allem Büroberufe wie Industriekaufmann, gestalterische Berufe wie Mediengestalter und technische Berufe wie Industriemechaniker beliebt. Entscheidend ist unter anderem das Image des Berufs und die Erfahrungen im Praktikum.
Jörg Naumann vom Industrie und Handelsgremium Kulmbach kennt die Kehrseite. "Drastisch zeigt sich der Mangel an Azubis vor allem im Einzelhandel. Doch auch in anderen Branchen tun sich Unternehmen teils schwer, Auszubildende zu finden, etwa in der Gastronomie, Hotellerie oder Logistik."
In diesen Berufen sind auch noch die meisten der freien Stellen gelistet. Doch ohne Interesse einen solchen Beruf zu ergreifen, kann auch nicht die Lösung sein. Diese Erfahrung machen auch Unternehmen immer wieder. Auch Bäckermeister und HWK-Präsident Thomas Zimmer hat damit Erfahrung, das lässt sich einem Facebook-Post aus dem Juni entnehmen. Dort beklagt er, dass eine Bewerberin einfach nicht zum Probe-Arbeiten erschienen ist.
Ein generelles Problem ist das aber nicht, betont er, sondern vielmehr die Ausnahme. "85,8 Prozent aller oberfränkischen Lehrlinge verbleiben während ihrer Ausbildung in ein und demselben Betrieb. Dies ist ein Beleg, dass die Ausbildung im Handwerk für unsere Jugend attraktiv ist", so Zimmer.

Motivation muss stimmen

Bei den meisten Ausbildungsberufen sind zwar Vorkenntnisse kaum vonnöten, aber die Motivation muss natürlich stimmen. "Fähigkeiten lassen sich erlernen, Qualifikationen erwerben, aber die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, mit Kunden in Kommunikation treten zu können und natürlich das Bestreben dazuzulernen, diese Eigenschaften sollte ein junger Mensch mitbringen", sagt Heinz Vogel.
Und so sollten sich alle, die jetzt noch auf der Suche nach einer Ausbildung sind, nicht entmutigen lassen, meint Jörg Naumann: "Auf dem Ausbildungsmarkt ist noch Bewegung, viele Stellen sind noch nicht besetzt - oder werden wieder frei. Wer flexibel ist und sich nicht auf einen Wunschberuf festlegt, hat angesichts der rückläufigen Bewerberzahl sehr gute Chancen, noch eine Lehrstelle zu finden."