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Große Freiheit in kleiner Höhle


Autor: Christiane Lehmann

Coburg, Montag, 27. Sept. 2021

Lebenstraum  Wie schön es ist, mit dem eigenen Bett zu verreisen. Karin und Alexander Engelhardt haben einen VW Crafter zum ganz persönlichen Wochenendmobil umgebaut.
Karin und Alexander Engelhardt in ihrem umgebauten Wohncamper.


Karin Engelhardt ausgebremst. Die Powerfrau - Stadtentwicklerin und Digitalexpertin, Lederkünstlerin und Hotelmanagerin - kämpfte vor drei Jahren mit der Diagnose Burnout und ließ sich in einer Klinik therapieren. Mittlerweile ist sie wieder durchgestartet. Wenn auch mit einem neuen Ziel und mit 140 PS unter der Haube. Das Ziel heißt "Unabhängigkeit" und auf dem Weg dahin entdeckt sie - wann immer sie Lust hat - zusammen mit ihrem Ehemann Alexander in einem zum Wohnmobil umgebauten VW Crafter neue Orte der Entspannung und Ruhe.

"In der Klinik habe ich mir viele Gedanken gemacht. Was will ich? Wie will ich künftig leben?", erzählt sie. Eine andere Form der Freiheit schwebte ihr vor und so wurde aus einer 40 Stunden- eine 30 Stunden-Woche und die Idee von einem Wohnmobil geboren.

Karin und Alexander Engelhardt brauchen keine langen Urlaube. Ihr Hotelbetrieb muss schließlich immer weiter laufen. Ein, zwei, drei Tage am Stück reichen den beiden oft aus, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. "Mit unserem Wohnmobil kriegen wir das wunderbar hin. In einer Stunde ist ein bisschen Proviant und Kleidung gepackt und dann kann es schon losgehen", sagt Karin Engelhard. Mindestens ein- bis zweimal im Monat suchen sie das Abenteuer. Maximal zwei bis drei Stunden Fahrt nehmen sie in Kauf, dann aber ist mittels der App "Landvergnügen" ein schönes Plätzchen gefunden - ob auf einem Bauernhof oder einem ausgesuchten Parkplatz. Wanderungen, Museumsbesuche, Städtetouren - alles sei völlig entspannt möglich.

Auch wenn die Stadtentwicklerin zum Seminar im Allgäu ist, bucht sie kein Hotel mehr. "Wenn ich in mein Wohnmobil steige, ist das wie ankommen. Ich fühle mich geborgen, wie in einer Höhle, über meinem Bett der Sternenhimmel."

Die erste Tour mit dem Bus hat Karin Engelhardt allein gemacht. 600 Kilometer bis nach Österreich. "Das war noch mal ein Stück Therapie: Ich schaffe das allein." Und so war es dann auch. Mittlerweile ist sie es, die die Kilometer auf dem Crafter sammelt. "Von den 4500 Kilometern bin ich bisher nur ein paar hundert gefahren. Wenn wir unterwegs sind, sitzt Karin am Steuer", sagt Alexander und lächelt.

Er war es, der aus dem sechs Meter langen Bus ein kleines Heim gezimmert hat. "Ohne sein handwerkliches Geschick wäre das gar nicht möglich gewesen", ergänzt Karin, durchaus mit Stolz in der Stimme. Dabei war der Ausbau gar nicht so einfach. Alles musste gut überlegt sein und schön sollte es auch werden: Das Bett - längst oder quer, wie viel Stauraum und wo, welche Dämmung, Lichtkonzept...? Eine Solaranlage auf dem Dach sorgt für Strom, eine kleine Infrarotheizung macht's im Winter kuschelig warm.

Ein Herd muss drin sein

Auch ein Herd musste her. Denn ohne einen fest installierten Herd ist eine Anmeldung zum Wohnmobil nicht möglich. Es gab viele und immer wieder neue Herausforderungen. Nicht alles, was einmal fest verankert war, blieb auch an seinem Ort. Der Kühlschrank zum Beispiel wanderte letztlich unters Bett. "Bei jeder Fahrt optimieren wir etwas anderes. Manchmal ist es nur ein Haken, der einen anderen Platz bekommt, ein andermal ist es der Tisch, der neuerdings schwenkbar ist", sagt Alex. Die Seitenwände wurden mit Linoleum abgerundet, an den hinteren Türflügeln hat sich Karin Engelhardt verwirklicht und zwei große selbst gestaltete Lederbilder in den Rahmen eingebaut.

Rund 30 000 Euro haben Anschaffung und Ausbau gekostet. Aber das war es ihnen wert. Sie haben sich einen Lebenstraum verwirklicht. Das Paar genießt diese neue Form der Freiheit, wie sie es nennen. "Wir sind sehr glücklich." Ihre kleinen Auszeiten, ob allein oder zu zweit, geben ihnen Kraft und wecken immer wieder neu die Abenteuerlust in ihnen.