Griffen Behörden nicht rechtzeitig durch?
Autor: Udo Güldner
LKR Haßberge, Dienstag, 06. August 2019
Vor dem Landgericht muss sich ein 25-Jähriger aus dem Landkreis wegen sexuellen Missbrauchs eines Neunjährigen verantworten.
Noch immer schweigt der 25-jährige Mann aus dem Landkreis Haßberge vor der Jugendschutzkammer des Landgerichtes Bamberg zu den Vorwürfen. Er soll im Januar 2019 einen neunjährigen Jungen aus dem Maintal mehrfach in übelster Weise sexuell missbraucht haben. Nun kam während des zweiten Verhandlungstages heraus, dass er bereits ein halbes Jahr zuvor auffällig geworden war.
Erst einmal hört man nichts. Die Türen des Gerichtsaales sind verschlossen. Das Hinweisschild zeigt "Die Sitzung ist NICHT öffentlich" an. Eineinhalb Stunden dauert es, bis der Vorsitzende Richter Markus Reznik die Zuschauer wieder zulässt. Inzwischen haben er und die anderen Verfahrensbeteiligten eine Videoaufzeichnung angesehen. In ihr wird der neunjährige, durch die beiden Vergewaltigungen schwersttraumatisierte Junge von einem speziell geschulten Ermittlungsrichter befragt. Die Staatsanwältin Ursula Redler und der Verteidiger Maximilian Glabasnia aus Bamberg bekommen über Funk die Möglichkeit, ihre Fragen an den Ermittlungsrichter stellen zu können.
Wie in anderen Fällen greift man zu diesem Mittel, damit das Kind nicht noch einmal im Prozess aussagen muss und die schmerzhaften Szenen noch einmal erleben muss. Noch dazu, wenn es seinem Peiniger Auge in Auge gegenübersäße. Wie schlimm es gewesen sein muss, erfährt man nur, weil Richter Reznik darauf hinweist, es könne auch eine Verurteilung wegen "besonders schwerer Vergewaltigung" in Frage kommen. Was daran liegt, dass der Angeklagte beim sexuellen Missbrauch ein Messer und eine Schusswaffe bei sich geführt und seinem Opfer gezeigt haben soll - wohl um dessen Widerstand zu brechen.
Auch wenn es keine scharfe Pistole, sondern "nur" eine täuschend echte Imitation in Form einer Gasdruckpistole gewesen ist. Auch die schwere Misshandlung und Erniedrigung führten zu einem Strafrahmen von fünf Jahren aufwärts.
"Erdrückende Beweislast"
Obwohl Staatsanwältin Redler von "erdrückender Beweislast" spricht, schweigt der Angeklagte. Dafür sprechen die Zeugen. Sie zeichnen das Bild eines anfangs kooperativen Mannes, der nach seiner Haftentlassung aus der JVA Würzburg 2017 schon bald wieder in alte Muster zurückfiel. Was möglicherweise daran lag, dass er zu einem früheren Knastkumpel zog, der ebenfalls schon wegen sexuellen Missbrauchs ins Visier der Fahnder geraten war.
Der Angeklagte hatte immerhin fünf Jahre wegen der Vergewaltigung eines 16-jährigen Jugendlichen abgesessen. An die Weisungen, die man dem Angeklagten für die Dauer von fünf Jahren auferlegt hatte, um weitere schwere Straftaten zu verhindern, hielt er sich immer weniger. Ein Vierteljahr lang kam er zu keinen Gesprächen in die psychiatrische Fachambulanz. Stattdessen sah er sich lieber Fußballspiele in Würzburg an oder gab vor, er könne sich keine Zugfahrkarte leisten. Obwohl er eine Vollzeitstelle bei einem Logistiker hatte.
"In der Fachambulanz rastete er regelmäßig massiv aus", so eine Mitarbeiterin. Die Führungsaufsichtsstelle griff aber trotz einer Vielzahl an Verfehlungen nicht durch. Auch die Psychologen der Fachambulanz sahen noch wenige Wochen vor den Taten "keine Anhaltspunkte", um einzuschreiten, um erhebliche Gefahren für Leib und Leben anderer abzuwehren.