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"Gott hat nicht alle Wälder abgeholzt"


Autor: Sabine Weinbeer

Trossenfurt, Freitag, 14. April 2017

"Es könnte sein, dass ich heute manchen schockiere. Aber die Kirche hat nur eine Chance, wenn wir einiges verändern." Mit dieser Aussage stieg Pfarrer i.R. ...
Einen fesselnden Vortrag hielt Ewald Thoma.  Foto: Sabine Weinbeer


"Es könnte sein, dass ich heute manchen schockiere. Aber die Kirche hat nur eine Chance, wenn wir einiges verändern." Mit dieser Aussage stieg Pfarrer i.R. Ewald Thoma in seinen Vortrag zur österlichen Bußzeit und vor allem zu den drei heiligen Tagen im "Sternstübla", dem Oberauracher Bürgertreff, in Trossenfurt ein.
Wenn man sich Gedanken zur österlichen Bußzeit mache, dann sollte man sich nicht auf Verzicht oder Opfer beschränken. Auch nicht auf die Aufforderung "Kehrt um". Bei diesem Bibelzitat handle es sich ohnehin um einen Übersetzungsfehler, richtiger heiße die Aufforderung: "Größer denken!"
Thoma forderte die Zuhörer auf, sich zu lösen von Mensch gemachten Gottesbildern. "Gott ist weder ein alter Mann mit weißem Bart, noch ein Polizist, der aufpasst, was wir machen", erklärte er. Er forderte vor allem die Großeltern unter den Gästen auf, den Mut zu haben, mit ihren Enkeln über ihren Glauben zu reden. "Ich bin auch so erzogen, dass ich ein großer Sünder bin. Aber wir sind von Gott geliebte Kinder - das müssen wir unseren Kindern sagen", erklärte er. Ein Christ müsse seinem Mitmenschen die Gelegenheit geben, aus einer Schublade wieder herauszukommen.
Die Fastenzeit beginne mit dem Evangelium von der Versuchung Jesu. Matthäus sei kein Psychologe, treffe mit der Geschichte aber genau das, was den Menschen ausmache: Alles können wollen, sein wollen wie Gott und alles haben wollen. Wenn man an dem Punkt ankommt, bei dem Jesus in dem Evangelium ist, nämlich bei "Ich muss nicht alles haben und können, dann wird die Fastenzeit sinnvoll", erklärte der Priester.
In der Karwoche, die am Palmsonntag beginnt, werde aus dem historischen Jesus, den man nachweisen kann "von Bethlehem bis ans Kreuz", der Auferstandene "und das müssen wir glauben". Dieser Wandel werde auch in den Briefen des Paulus deutlich: Er schreibe anfangs von Jesus, dann von Christus, dem Gesalbten.
Bis Palmsonntag hätten auch die Apostel ein ganz falsches Bild von Jesus gehabt, analysierte Ewald Thoma. Sie verstanden ihn laut Thoma als neuen David, als einen starken König. "Hosianna" sei anfangs auch der Ruf "Bring doch Hilfe" gewesen. Doch mit der Kreuzigung und der Auferstehung werde deutlich, dass hier kein weltlicher König, sondern ein König der Liebe gekommen war.
Am Gründonnerstag nahm Jesus das bereits 1250 Jahre alte Pascha-Fest der Juden und machte daraus die Eucharistie. Mit der Fußwaschung habe er davor ein Zeichen gesetzt: "Nur wer dienen kann, hat Gemeinschaft mit Jesus. Das haben auch manche im Klerus nicht verstanden - wie damals Petrus". Der Gründonnerstag sei damit der Geburtstag der Eucharistie, des Priestertums und der Caritas.


Warum gibt es Leid?

Auch auf die Frage, warum Gott das Leid der Welt zulässt, ging Pfarrer Thoma ein. "Gott will das Leid nicht. Er hat uns die Gebote gegeben, Jesus die Nächstenliebe - aber er hat uns auch den freien Willen gegeben". Vieles Leid sei in der Ausübung dieses freien Willens begründet. "Nicht Gott ist schuld an den schlimmen Schlammlawinen in Kolumbien, er hat dort nicht alle Wälder abgeholzt", erklärte Ewald Thoma.
In schlimmem Leid könne der Christ aber Kraft im Glauben schöpfen. So sei der Ostersonntag der Tag des Lebens, des Glaubens an die Macht der Liebe. Mit Ostern "wurde das Kreuz vom Zeichen der Schande zum Siegeszeichen über Leid und Tod. Alle glauben an ein Leben nach dem Tod, aber wir wissen um die Auferstehung. Das Geheimnis des Glaubens beginnt an Ostern", so Thoma. sw