Golf auf engstem Raum
Autor: Torsten Ernstberger
Oberhaid, Montag, 05. März 2018
Die dritte Folge unserer Serie "Sport & Technik" beschäftigt sich mit Golfsimulatoren - und die Experten sind sich einig: Indoor-Golf ist weit mehr als eine Spielerei.
Torsten Ernstberger
Es ist warm, etwa 20 Grad. Singvögel zwitschern, dazwischen mischt sich immer wieder das Gurren von Tauben. Dann folgt ein Zischen, ein dumpfer Schlag - Niklas Greiner schaut dem Ball hinterher. Gerade hat der 19-Jährige von Loch 7 des Golfclubs Oberfranken abgeschlagen. Doch er ist nicht auf seinem Heimatplatz in Thurnau. Er steht in einer 330 Quadratmeter großen Halle in Oberhaid.
"Golfsimulatoren gibt es schon seit etwa 25 Jahren", sagt Bodo Korczynski. "Aber was die Technik mittlerweile alles liefert, ist schon der Hammer." Der Inhaber des Indoor Golf Centers "Tour Green" in Oberhaid verkauft seine Simulatoren an Privatpersonen, Golfclubs, oder Hotels, auch auf Kreuzfahrtschiffen sind sie installiert. Ein Gerüst, eine reißfeste Leinwand, ein Beamer, ein Computer mit passender Software und als Herzstück das Messgerät - schon spielen die Golfer auf relativ engem Raum in Sekundenschnelle auf Golfanlagen aus aller Welt. Virtuell natürlich.
Der erste in Franken
Der Thurnauer Golfclub ist der erste in Franken, der digitalisiert wurde. Eine Drohne hat das 68 Hektar große Areal überflogen und visualisiert, anhand der gesammelten Daten entstand ein 3D-Geländemodell. Zudem lieferte das GPS (Globales Positionsbestimmungssystem) feste Punkte an die Software. "Die fertige Simulation ist sehr exakt", sagt Korczynski. Das Clubhaus, Bäume, Mülleimer und sogar Enten, die auf den Wasserflächen schwimmen, sind zu erkennen. Äußere Faktoren, wie Wind, Wetter, Rasenbeschaffenheit oder Platzhärte sind individuell einstellbar. "Coole Sache, diese Simulation und weit mehr als eine Spielerei", sagt Greiner, der in der Thurnauer Oberliga-Mannschaft aktiv ist. "Man erkennt alle Bahnen sofort wieder - und wählt auch die gleiche Taktik wie draußen."Und wieder holt Greiner aus. Mit voller Wucht trifft er den Ball, der kurz darauf an der etwa zwei Meter entfernten Leinwand einschlägt und zu Boden fällt. In dieser Zeit hat das digitale Messgerät den Ball zigmal fotografiert, unter anderem seine Rotation, seine Geschwindigkeit sowie den Steigungswinkel erkannt und die Daten an einen Computer gemeldet. In Echtzeit ist der Flug des Balls auf der Leinwand zu sehen.
Korczynski schaut auf den Computerbildschirm und lobt: "197 Meter Gesamtlänge - Respekt." Zusammen mit Greiner analysiert der 50-Jährige den Schlag bis ins letzte Detail. Die seitliche Abweichung betrug nur drei Prozent, bei 135 Metern erreichte die Flugkurve ihren Scheitelpunkt. "Ich weiß also jetzt, welche Hindernisse ich in welcher Entfernung überspielen könnte", erklärt Greiner. "Ohne die technische Hilfe könnte ich das nur abschätzen."
Auch aus dem Mittelwert nach mehreren Abschlägen aus der Driving Range zieht Greiner Erkenntnisse für sein Training: "Gerade die langen Schläge sind sehr realistisch.Da gibt es kaum Unterschiede zwischen in- und outdoor." Doch bei kurzen Schlägen habe das System Schwächen: Da Golfer auf dieser Distanz viel mit Visualisierung und Gefühl arbeiten, fällt die Umstellung schwer. Gerade das Putten ist ungenau und schwer umzusetzen, wenn der Ball auf der Leinwand auf einer unebenen Fläche visualisiert ist, aber von einer geraden abgeschlagen wird. Die Messtechnik wertet deshalb jeden Put, der im Umkreis von zwei Metern am Loch endet, als eingelocht.
Enorme Zeitersparnis
"Doch die Vorteile der Simulation überwiegen", sagt Greiner und zieht ein 7er-Eisen aus seiner Golftasche. Eine schnelle Ausholbewegung, ein Zischen, der Ball ist unterwegs. Deutlich über 100 Meter zeigt der Computer an. Aber Greiner muss den Ball nicht an der Aufschlagstelle suchen. Er geht einen Schritt nach vorne, hebt ihn auf und spielt weiter. Die Zeitersparnis ist enorm: Auf dem realen Golfplatz benötigt er für 18 Löcher etwa vier Stunden, im virtuellen Spiel nicht einmal 60 Minuten. "Und man probiert in der Halle mehr aus", ergänzt der 19-Jährige. "Draußen würde ich nicht zehnmal in Folge versuchen, über ein Wasserhindernis zu kommen, die Bälle wären ja alle weg." In der Halle halten sich die Materialkosten dagegen in Grenzen. Allerdings beweist auch der Simulator, dass Golf ein teurer Sport ist. "Das ist der wohl größte Nachteil des Systems", sagt Korczynski. "Der Simulator, so wie er hier in Oberhaid steht, kostet etwa 25 000 Euro - und mit dem Naturerlebnis des Outdoor-Golfens können wir auch nicht mithalten." Dafür herrschen in der Halle aber selbst Anfang März warme Temperaturen und das Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern erinnert an den nahenden Frühling.