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Glücklich, wieder in Coburg zu sein


Autor: Jochen Berger

Coburg, Dienstag, 02. Juni 2015

Interview  Brigitte Fassbaender hat mehrfach Karriere gemacht - als Sängerin, Intendantin und Regisseurin. Warum sie sich freut, "La Bohème" auf die Bühne des Landestheaters zu bringen, verrät sie im Gespräch.
Mit Puccinis "Bohème" zurück in Coburg: Brigitte Fassbaender (hier auf der Probebühne am Oberen Bürglaß) begann ihre Regie-Karriere 1990 am Landestheater. Foto: Jochen Berger


Coburg — Als Mezzosopranistin feierte Brigitte Fassbaender Erfolge auf allen großen Bühnen der Welt zwischen New York und Mailand, London und Wien. Seit einem Vierteljahrhundert ist sie inzwischen eine gefragte Regisseurin mit einer ganz besonderen Beziehung zu Coburg. Schließlich feierte sie im Februar 1990 ihr Regie-Debüt mit Rossinis "La Cenerentola" am Landestheater .

Wie kam es, dass Ihre Regiekarriere 1990 in Coburg begonnen hat?
Brigitte Fassbaender: Ich hatte damals mit Studenten in München eine Inszenierung erarbeitet. Diese Produktion hatte der damalige Coburger Intendant Ernö Weil gesehen und mich daraufhin nach Coburg eingeladen.

Hatten Sie damals schon vor, nach der Gesangs-Karriere eine Regie-Karriere anzustreben?
Überhaupt nicht. Ich wollte das einfach einmal ausprobieren in der Hochschule - das klappte gut, dann kam die erste Inszenierung in Coburg und ich dachte: Das macht Freude. Später war das natürlich hilfreich: Als der Abschied von der Bühne als Sängerin kam, der ja doch sehr früh und selbst gewählt kam, hatte ich mir das zweite Standbein Regie schon erobert.

Haben Sie jemals bedauert, dass Sie sich relativ früh als Sängerin von der Bühne verabschiedeten?
Nein - bis heute nicht. Ich habe den Beruf sehr geliebt und wollte keinen Vitalitätsverlust erleben, wollte nicht erleben, dass man nicht mehr mit voller Kraft arbeiten kann. Ich wollte den Schluss auf der Bühne selber wählen und mir nicht diktieren lassen müssen von außen.

Inwiefern haben Ihnen Ihre Erfahrungen als Sängerin beim Inszenieren geholfen?
Ich habe inzwischen an die 70 Inszenierungen gemacht. Das Inszenieren ist ein riesengroßer, anhaltender Lernprozess in jeder Beziehung. Auch wenn man vorher 30 Jahre oder mehr auf der Bühne gestanden hat - das hat damit überhaupt nichts zu tun. Sicher helfen einem Erfahrungen im Umgang mit Kollegen, aber die Herausforderung, eine Gesamtproduktion auf die Bühne zu bringen ist doch etwas ganz anderes, als ein Rädchen im Getriebe zu sein.

Wie ist es zu Ihrer dritten Regie in Coburg gekommen?
Ich hatte mir immer gewünscht, noch einmal in Coburg etwas machen zu dürfe, seitdem ich "La Cenerentola" und "Die Zauberflöte" gemacht habe. Ich habe mich damals sehr wohl gefühlt am Haus hier. All die Jahre habe ich gedacht: Schade, dass die Intendanten in Coburg mich nicht noch einmal einladen. Das würde mich freuen, aller guten Dinge sind drei, sagt man. Gott sei Dank hat der jetzige Intendant Bodo Busse da wohl irgend etwas gehört. Plötzlich kam ein Mail von ihm, ob ich mir denn vorstellen könnte, noch einmal in Coburg zu inszenieren. Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut und sofort zurück geschrieben und gesagt: "Ja, gerne! Das wünsche ich mir doch schon seit Jahren. Schön, dass Sie an mich denken." Dann hat er mir "La Bohème" vorgeschlagen. Das ist natürlich ein sehr, sehr schweres Stück, aber es war sehr reizvoll für mich, weil ich es noch nie gemacht habe.

Was macht "Bohème" aus Ihrer Sicht zum schweren Stück?
"Bohème" ist eines jener Stücke, wo das Publikum genau weiß, wie es zu gehen hat. Das ist wie "Zauberflöte" oder "Carmen".

Was reizt Sie an "Bohème"?
Die Musik ist so genial. Es gibt kaum eine Partitur, in der Puccini so ausführlich und detailfreudig darlegt, was er sich auch dynamisch vorstellt. Puccini steht als Erfinder, als Melodiker und mit seinem klanglichen Reichtum auf der gleichen Stufe wie Richard Strauss.
Welche Beziehung haben Sie zum Schaffen Puccinis?
Ich liebe Puccini schon immer. Meine Traumrolle war die Tosca, aber die konnte ich nicht singen, weil ich ein Mezzosopran war. Leider hat Puccini für den Mezzosopran nichts Weltbewegendes geschrieben. Dabei hätte ich mir das sehr gewünscht.

Was ist aus Ihrer Sicht das zentrale Thema in "La Bohème"?
Für mich ist es ein Stück mit sehr jungen Menschen. Es geht um Freundschaft, natürlich auch um Liebe. Das Stück zeigt, wie fundamental Freundschaft sein kann - und wie problematisch sich Liebe darstellt. Die Charaktere sind alle so klar gezeichnet, so eindringlich. Es ist schön, wenn man ein so stimmiges und junges, schauspielerisch motiviertes Ensemble hat wie das hier der Fall ist.

Wo spielt das Werk bei Ihnen zeitlich?
Ich habe es relativ nostalgisch angelegt, es spielt in der Nachkriegszeit, wo Luxus ein Traum ist, wo Normalität ein Traum ist und Armut legitim. Wo man wirklich von der Hand in den Mund lebte, wo einen das Prinzip Hoffnung voran treibt. Die Hoffnung spielt eine wichtige Rolle in diesem Stück. Alle hoffen auf große Karrieren, auf großes Künstlertum. Und immer wieder hoffen sie, dass die Liebe harmonisch auf sie zukommt.

1990 waren Sie erstmals in Coburg. Wie erleben Sie die Stadt heute?
Die Stadt hat sich mächtig verändert. Die Altstadt ist ein Traum - das ist eine entzückende Stadt mit sehr viel baulichem Charme. Das was damals nicht so strahlend. Damals war schon noch spürbar, dass die Stadt im Zonenrandgebiet lag. Jetzt sieht die Stadt so frisch geputzt aus. Der Theaterplatz ist so schön geworden.

Das Gespräche führte
Jochen Berger