Druckartikel: Gesundheitsspritze für Bäume

Gesundheitsspritze für Bäume


Autor: Rainer Lutz

Neustadt, Freitag, 21. Februar 2020

Um alte Alleebäume möglichst lange vital halten zu können, impfen die Neustadter Stadtgärtner ihren Wurzelraum mit speziellen Pilzen, die dann mit dem Baum eine Symbiose eingehen.
Die Bäume der Thanner Allee werden mit Pilzen geimpft, damit sie harten Bedingungen besser widerstehen können (von links): Frank Rebhan, Günter Franke und Lothar Geuther. Foto: Rainer Lutz


Bäume haben es es nicht leicht in dieser Zeit. Ganze Wälder fallen Parasiten und Krankheiten zum Opfer. Tief im Boden, wo es die Wurzeln bräuchten, fehlt das Wasser und die Luft wird immer heißer und trockener. Für Stadtbäume kommt noch hinzu, dass um sie herum oft der Boden versiegelt ist. Sie stehen nicht im Schulterschluss mit Artgenossen, sondern allein, sind Streusalz ausgesetzt und innerorts ist der Klimawandel noch deutlicher zu spüren als im Wald. Dafür haben sie Stadtgärtner, die sich um sie kümmern. In Neustadt gehen sie dabei gerade ungewöhnliche Wege. Sie impfen ihre Bäume.

Genaugenommen sind es nicht die Bäum, die geimpft werden, sondern der Boden rund um ihren Stamm. Gärtner Günter Franke hat schon einige Stellen auf dem Gras neben einem Baum der "Thanner Allee" markiert. "Pro zehn Zentimeter Stammdurchmesser werden drei Impfstellen gesetzt", erklärt er. Weil aber über einen Teil des Wurzelraumes ein Weg führt und so der Boden versiegelt ist, reduziert er die Zahl der Impfstellen ein wenig auf zehn statt der errechneten 15.

Mit dem Spaten öffnet er den Boden bis in 30 Zentimeter Tiefe. Gärtnermeister Lothar Geuther bringt in einem Messbecher die Impfdosis. "Wir geben pro Impfstelle 125 Milligramm Mykorrhiza Pilze in den Boden", erklärt er und füllt die Masse im Becher in das Loch, das sein Kollege sofort wieder verschließt.

Als Mykorrhiza wird eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen bezeichnet. Der Pilz steht dabei in Kontakt mit dem Feinwurzelsystem der Pflanze - in diesem Fall der Eschen und Ahorne der Thanner Allee. Funktioniert diese Symbiose gut, dann kann das ein wichtiger Beitrag zur Gesunderhaltung der Bäume sein. Der Pilz hilft dem Baum bei der Nährstoffaufnahme aus dem Boden. Dafür erhält er vom Baum Nährstoffe aus der Photosynthese, die Pilze nicht selbst herstellen können. "Wir wollen die Bäume ja möglichst erhalten", betont Lothar Geuther.

Gesundheit kostet

Rund 45 Euro kostet diese Behandlung pro Baum. 75 werden in der Allee geimpft. "Es ist eine Arbeit, die weniger auffällt, die aber auch zum Ökokonzept der Stadt gehört", betont Oberbügermeister Frank Rebhan (SPD). Mit dem "Konzept zur nachhaltigen Nutzung städtischer Flächen unter ökologischen Gesichtspunkten" ist die Stadt Vorreiter in der Region. Es geht um mehr Blühflächen, Nutzungsverzicht an Stellen, an denen der Natur wieder freie Hand gelassen werden kann und schonende Bearbeitung, wo nicht ganz darauf verzichtet werden kann.

Umsetzen müssen das zu einem großen Teil die Stadtgärtner des Bauhofs. Die bekommen oft genug Kritik zu spüren, wenn etwa ein Baum aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss. Aber auch die Impfaktion zieht Interesse auf sich. "Es bleiben schon Leute stehen und fragen, was wir hier machen", sagt Günter Franke. So mancher geht dann mit dem erweiterten Bewusstsein weiter, dass die Stadtgärtner viel mehr können als Blumen gießen und Bäume fällen - und dass ihnen das Wohl des Grün in der Stadt sehr am Herzen liegt.

Hoffen auf viele Vorteile

Was sich die Fachleute von der Aktion versprechen, das sind eine ganze Reihe von Vorteilen. Verbesserte Wasser- und Nährstoffaufnahme für die Bäume, Schutz vor giftigen Elementen, biologischer Pflanzenschutz vor Schädlingen im Boden, verbesserte Toleranz der Bäume gegenüber Trockenheit oder Nässe, mehr Widerstandskraft gegen Krankheiten und vieles mehr.

"Das Einbringen der Pilze dient auch der biologischen Aktivierung des Substrates, der organischen Düngung bei der Pflanze und der Stärkung des Wachstums", erklärt Lothar Geuther.

Ob die Methode auch in Zukunft und bei anderen Bäumen im Stadtgebiet angewendet werden soll, hängt vom Erfolg ab. "Wir haben eine Vergleichsgruppe von unbehandelten Bäumen. In einem Jahr wollen wir dann sehen, ob bei den behandelten Bäumen eine spürbare Verbesserung der Vitalität erkennbar wird", erklärt Lothar Geuther. Weil die Nöte von Stadtbäumen heute gut bekannt sind, wird bei neueren Planungen gleich vorgebaut: "Bei der Neugestaltung des Marktplatzes wird für die dort gepflanzten Bäume gleich ein Bewässerungssystem mit eingebaut", sagt Frank Rebhan.

Beratung durch den LPV

Kommunen im Landkreis, die in ihrem Zuständigkeitsbereich ebenfalls etwas für mehr Biodiversität und gegen das Insektensterben tun wollen, werden von Frank Reißenweber beraten. Der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes Coburger Land hat ein Grundkonzept zusammengestellt, das Tipps enthält, die leicht umgesetzt werden können, aber auch Angebote, mehr zu tun.

So können Gemeinden, die Flächen verpachten, dies an ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung knüpfen. Sie können einen Teil der kommunalen Wälder ungenutzt lassen und die Managementpläne für FFH und Vogelschutzgebiete umsetzen. Bei Photovoltaikanlagen sollten Blühmischungen zwischen die Module gesät werden, auf Pestiziteinsatz im eigenen Zuständigkeitsbereich verzichtet und Feldränder nach ökologischen Gesichtspunkten gepflegt werden. Das Konzept enthält noch viel weitere Punkte und jede Kommune kann sich auch noch speziell für ihre besondere Situation beraten lassen.