Gesundheitsspritze für Bäume
Autor: Rainer Lutz
Neustadt, Freitag, 21. Februar 2020
Um alte Alleebäume möglichst lange vital halten zu können, impfen die Neustadter Stadtgärtner ihren Wurzelraum mit speziellen Pilzen, die dann mit dem Baum eine Symbiose eingehen.
Bäume haben es es nicht leicht in dieser Zeit. Ganze Wälder fallen Parasiten und Krankheiten zum Opfer. Tief im Boden, wo es die Wurzeln bräuchten, fehlt das Wasser und die Luft wird immer heißer und trockener. Für Stadtbäume kommt noch hinzu, dass um sie herum oft der Boden versiegelt ist. Sie stehen nicht im Schulterschluss mit Artgenossen, sondern allein, sind Streusalz ausgesetzt und innerorts ist der Klimawandel noch deutlicher zu spüren als im Wald. Dafür haben sie Stadtgärtner, die sich um sie kümmern. In Neustadt gehen sie dabei gerade ungewöhnliche Wege. Sie impfen ihre Bäume.
Genaugenommen sind es nicht die Bäum, die geimpft werden, sondern der Boden rund um ihren Stamm. Gärtner Günter Franke hat schon einige Stellen auf dem Gras neben einem Baum der "Thanner Allee" markiert. "Pro zehn Zentimeter Stammdurchmesser werden drei Impfstellen gesetzt", erklärt er. Weil aber über einen Teil des Wurzelraumes ein Weg führt und so der Boden versiegelt ist, reduziert er die Zahl der Impfstellen ein wenig auf zehn statt der errechneten 15.
Mit dem Spaten öffnet er den Boden bis in 30 Zentimeter Tiefe. Gärtnermeister Lothar Geuther bringt in einem Messbecher die Impfdosis. "Wir geben pro Impfstelle 125 Milligramm Mykorrhiza Pilze in den Boden", erklärt er und füllt die Masse im Becher in das Loch, das sein Kollege sofort wieder verschließt.
Als Mykorrhiza wird eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen bezeichnet. Der Pilz steht dabei in Kontakt mit dem Feinwurzelsystem der Pflanze - in diesem Fall der Eschen und Ahorne der Thanner Allee. Funktioniert diese Symbiose gut, dann kann das ein wichtiger Beitrag zur Gesunderhaltung der Bäume sein. Der Pilz hilft dem Baum bei der Nährstoffaufnahme aus dem Boden. Dafür erhält er vom Baum Nährstoffe aus der Photosynthese, die Pilze nicht selbst herstellen können. "Wir wollen die Bäume ja möglichst erhalten", betont Lothar Geuther.
Gesundheit kostet
Rund 45 Euro kostet diese Behandlung pro Baum. 75 werden in der Allee geimpft. "Es ist eine Arbeit, die weniger auffällt, die aber auch zum Ökokonzept der Stadt gehört", betont Oberbügermeister Frank Rebhan (SPD). Mit dem "Konzept zur nachhaltigen Nutzung städtischer Flächen unter ökologischen Gesichtspunkten" ist die Stadt Vorreiter in der Region. Es geht um mehr Blühflächen, Nutzungsverzicht an Stellen, an denen der Natur wieder freie Hand gelassen werden kann und schonende Bearbeitung, wo nicht ganz darauf verzichtet werden kann.
Umsetzen müssen das zu einem großen Teil die Stadtgärtner des Bauhofs. Die bekommen oft genug Kritik zu spüren, wenn etwa ein Baum aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss. Aber auch die Impfaktion zieht Interesse auf sich. "Es bleiben schon Leute stehen und fragen, was wir hier machen", sagt Günter Franke. So mancher geht dann mit dem erweiterten Bewusstsein weiter, dass die Stadtgärtner viel mehr können als Blumen gießen und Bäume fällen - und dass ihnen das Wohl des Grün in der Stadt sehr am Herzen liegt.
Hoffen auf viele Vorteile
Was sich die Fachleute von der Aktion versprechen, das sind eine ganze Reihe von Vorteilen. Verbesserte Wasser- und Nährstoffaufnahme für die Bäume, Schutz vor giftigen Elementen, biologischer Pflanzenschutz vor Schädlingen im Boden, verbesserte Toleranz der Bäume gegenüber Trockenheit oder Nässe, mehr Widerstandskraft gegen Krankheiten und vieles mehr.