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Gericht drückt bei schwangerer Internetbetrügerin ein Auge zu


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Donnerstag, 12. November 2020

Der Aufwand an krimineller Energie schien gehörig. Ausreden und Erklärungen dafür, weshalb sie dies und das in ihrem Leben nicht umgesetzt hätte, hatte die 20-jährige Angeklagte auch parat. Dass sie a...


Der Aufwand an krimineller Energie schien gehörig. Ausreden und Erklärungen dafür, weshalb sie dies und das in ihrem Leben nicht umgesetzt hätte, hatte die 20-jährige Angeklagte auch parat. Dass sie am Mittwoch keine härteren gerichtlichen Konsequenzen für die ihr zur Last gelegten Betrügereien tragen musste, war wohl alleinig dem Umstand geschuldet, dass sie schwanger ist.

Um Arbeitsauflagen gedrückt

"Ich habe keinen Brief gekriegt", suchte die Frau gegenüber Richter und Amtsgerichtsdirektor Matthias Huber zu beteuern. Doch Huber konterte die Frau schnell aus: "Das funktioniert nicht, der ist Ihnen persönlich in die Hand gedrückt worden." Es ging um die Ableistung von Arbeitsauflagen, resultierend aus einem anderen Verfahren, um die sich die derzeit arbeitslose Frau aus dem östlichen Landkreis drückte.

Schon einmal hatte sie mit dem Gericht zu tun und damals wurde ihr für eine Verfahrenseinstellung zur Auflage gemacht, dass sie sich bei einer Arbeitsstätte zu melden habe oder dass sie Arbeitstermine wahrnehmen müsse. Denn im Zeitraum zwischen 9. Oktober 2018 und 3. Dezember 2018 stellte sie mit ihrem Freund Waren zum Verkauf ins Internet, kassierte Geld und schickte die verkaufte Ware nie jemandem zu. Insgesamt nahm das Duo so 455 Euro ein.

Transaktionen über Ebay

Zu den Transaktionen, die über Ebay liefen, so die Frau, könne sie nichts sagen, denn das "hat alles mein Verlobter geregelt". Der Verlobte war während der Verhandlung nicht zugegen und dass nur er etwas gewusst haben soll, wurde schon durch die Zeugenaussage einer 45-jährigen Polizeihauptmeisterin obsolet. Auf ihrem Schreibtisch landete einst der Fall und sie fand heraus, dass die "Gelder auf ein Bankkonto gingen, von dem beide (Angeklagte und ihr Verlobter) Inhaber waren".

Doch was war das für ein Mensch, der da vor Gericht saß? Nach der Beweisaufnahme, die keinen Zweifel an der Schuld der Frau zuließ, äußerte sich die 20-Jährige zu sich und ihrem Werdegang. Sie habe auf Druck der Mutter eine Lehre abbrechen müssen, weil die Berufsschule zu weit entfernt war. Ab da habe sie sich über Zeitarbeitsfirmen durchgeschlagen. Auch habe die Mutter ihr untersagt, einen Freund zu haben.

All das zeichnete das Bild einer jungen Frau, die um Eigenständigkeit betrogen worden sein mochte. Ein Umstand, den Staatsanwältin Anna Saam in ihrem Plädoyer aufgriff. "Sie ist nicht eigenständig" und sie "hat keine ernsthaften Pläne", äußerte sich die Anklagevertreterin zum Lebenswandel der ihr gegenüber sitzenden Frau. Aus "erzieherischen Gründen" erachtete sie 70 Arbeitsstunden und zwei Wochenend-Freizeitarreste als "ausreichend" zur Ahndung.

Welches Strafmaß würde Matthias Huber bestimmen? Nicht das Ob, sondern die Höhe war von Belang, denn "aus meiner Sicht gibt es keinen Zweifel daran, dass Sie schuldig sind", so der oberste Jurist des Amtsgerichts gegenüber der Angeklagten. Mit Rücksichtnahme auf die Schwangerschaft der Frau schickte er sie nicht in Haft. "Sie brauchen Unterstützung", so Huber. Aber er sagte es mit Vorbehalt, denn wenn die Frau nicht sechs Monate lang an einem Projekt mitarbeitet, welches ihr helfen könnte, ihr Leben in den Griff zu bekommen, dann stünde ihr etwas bevor: "Sonst fahren Sie nach Würzburg (Justizvollzugsanstalt) und haben vier Wochen Zeit, darüber nachzudenken." Die Verurteilte fügte sich bei diesen Aussichten in den Plan mit dem Projekt.